Heute keine Revolution

HELLO US-Präsident Obama besucht Kuba. Was für viele nach Annäherung aussieht, versucht die Führung des Landes umzudeuten: in einen Sieg des Sozialismus

Für solch ein Wetter hätten die Obamas auch Wales besuchen können Foto: Carlos Barria/reuters

Von Bernd Pickert

Seit vielen Wochen hatte es nicht geregnet in Havanna. Jetzt, als US-Präsident Barack Obama zu seinem historischen ersten Besuch in der kubanischen Hauptstadt eintraf, goss es in Strömen, und auf allen Fotos der Karawane, die da am Sonntagnachmittag durch die Altstadt zog, nehmen Regenschirme einen gewichtigen Raum ein. In den sozialen Netzen wurde herumgewitzelt – ist das nun ein gutes Omen der Fruchtbarkeit oder einfach nur schlechtes Wetter?

Kalt lässt dieser Besuch in Kuba jedenfalls niemanden, auch wenn die staatliche Geheimniskrämerei rund um den Besuch selbst für kubanische Verhältnisse ungeahnte Ausmaße angenommen hatte. Noch Sonntag hatten Reporter des staatlichen kubanischen Fernsehens auf Facebook und Twitter geschrieben, dass die Bevölkerung den gesamten Besuch live im Fernsehen würde verfolgen können. Ein paar Stunden und einen Anruf aus dem Zentralkomitee später entschuldigten sich die gleichen Reporter in den sozialen Netzwerken: Alles sei vorbereitet gewesen, aber ohne weitere Begründung abgeblasen worden. Es täte ihnen sehr leid. Allein so etwas auf Facebook zu posten zeigt, wie groß das Zerwürfnis inzwischen ist; wie abgerissen die Kommunikationskanäle zwischen Staat, Medien und Bevölkerung sind.

Seit dem Beginn der US-kubanischen Annäherung am 17. Dezember 2014 hat die kubanische Regierung immer und immer wieder betont, an den Positionen des kubanischen Sozialismus werde sich absolut nichts ändern, man verhandle mit den USA auf Augenhöhe und verbitte sich jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten.

Noch vor zehn Tagen erschien in der Granma, dem offiziellen Parteiorgan, ein gut zwei Seiten langes Editorial zum Obama-Besuch. Inhalt: Kuba begrüßt den Kurswechsel der USA, empfindet das als großen Sieg des widerständigen kubanischen Volkes und seiner Revolution – und stellt Forderungen. Darunter: Die USA mögen aufhören mit dem Versuch, eine interne Opposition in Kuba zu schaffen. Das Signal dieses überaus schwülstig und langweilig geschriebenen Textes – der zu allem Überfluss auch noch komplett in den Abendnachrichten des kubanischen Fernsehens verlesen wurde – war ans eigene Volk gerichtet: Glaubt bloß nicht, dass sich hier gerade DDR 1989/90 wiederholt!

Die Nachricht ans eigene Volk: Glaubt bloß nicht, dass sich hier gerade DDR 1989/90 ­wiederholt!

Zwei Tage vor dem Obama-Besuch hingen dann in den Straßen Havannas auch die ersten „Willkommen in Kuba“-Plakate – aber anders als zuvor beim Papst zierte sie nicht nur das Konterfei des Gastes, sondern das von Kubas Staatschef Raúl Castro gleich mit. Der private Nutzwert der Plakate reduziert sich damit für viele Kubaner auf null. Der Kampf um Symbole ist manchmal so bedrückend primitiv.

Noch dazu nehmen es viele ihrem eigenen Präsidenten übel, Obama nicht am Flughafen abgeholt zu haben. Weder Raúl Castro noch sein Vize ließen sich dort sehen. Die Kubaner sehen das als klaren Affront – und ärgern sich über die Unhöflichkeit. Erklärungen dafür gibt es wie immer nicht. Eine öffentliche Debatte unter Kubanern über kubanische Politik findet nicht statt, die Kontrolle ist absolut, die Entscheidungsprozesse bleiben im Geheimen.

Obamas Rede ans kubanische Volk aus dem Gran Teatro in Havanna am Dienstagvormittag wird wohl tatsächlich im Fernsehen übertragen werden. Immerhin war es Kubas Außenminister, der das vergangene Woche persönlich so angekündigt hatte. Und wie einst vor den Papstmessen sind die Menschen gespannt, was der hohe Gast ihnen zu sagen hat.