Express aus dem Kohlenkeller

Öko Berlin hat jetzt ein Energiewendegesetz. Zur Umsetzung der Klimaziele braucht es aber mehr

„Schneckentempo zu sagen wäre schneckenfeindlich.“ So kommentierte Michael Schäfer, Sprecher für Klimaschutz der Grünen im Abgeordnetenhaus, die Verabschiedung des Berliner Energiewendegesetzes am Donnerstag. Zehn Jahre habe der Senat das Gesetz verschleppt. Dafür, dass es „keine einzige konkrete Klimaschutzmaßnahme enthält“, sei das „entschieden zu langsam“.

Zugestimmt habe seine Fraktion nur, weil auf ihren Antrag hin ein wichtiger zeitlicher Faktor angepasst wurde: Das „Berliner Energie- und Klimaprogramm“ (BEK), das im Einzelnen festlegt, wie die im Gesetz formulierten Ziele erreicht werden sollen, muss der Senat nun in spätestens drei Monaten vorlegen, also noch vor den Wahlen. Die vorige Fassung hätte der Landesregierung Zeit bis Ende 2017 gelassen – obwohl bereits ein BEK-Entwurf existiert.

Jetzt heißt es unter Paragraf 3: „Im Land Berlin soll die Gesamtsumme der Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent, bis zum Jahr 2030 um mindestens 60 Prozent und bis zum Jahr 2050 um mindestens 85 Prozent im Vergleich zu […] 1990 verringert werden.“ Klare Worte – aber auf die Umsetzung kommt es an. Formulierungen wie die, dass der Senat eine Energieerzeugung anstrebe, „die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht“, sind dann wieder reichlich dehnbar. Einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, wie ihn zuletzt die Energie-Enquetekommission gefordert hat, wollte Rot-Schwarz nicht im Gesetz verankern.

Freilich ist die Zukunft dieser Koalition alles andere als sicher. Einer, der dank eines sicheren grünen Listenplatzes im nächsten Abgeordnetenhaus vertreten sein dürfte, äußerte gestern die Hoffnung, mit einer neuen politischen Konstellation lasse sich der Kohleausstieg beschleunigen: Stefan Taschner vom Bürgerbegehren Klimaschutz. Der Verein präsentierte zeitgleich zur Lesung des Energiewendegesetzes ein Gutachten, das Beschleunigungsmöglichkeiten des Kohleausstieges aufzeigt.

Die Rechtsanwältin Cornelia Ziehm kommt in ihrer Expertise zu dem Fazit: Das Land kann zügig handeln, auch wenn die vier Berliner Kohlekraftwerke mit Vattenfall einen privaten Betreiber haben, dessen Braunkohle-Tagebaue sich zudem in einem anderen Bundesland – Brandenburg – befinden.

Ein Ansatzpunkt, so Ziehm, ist die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Für deren Ziel guter Gewässerqualität sind auch die Bundesländer verantwortlich. Weil die Verbrennung von Kohle Quecksilber freisetzt und dieses über verschiedene Wege in die Gewässer gelangt, könnte der Senat die bestehenden Genehmigungen der Kraftwerke einschränken oder sogar widerrufen. Auch könne Berlin im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung mit Brandenburg darauf hinwirken, dass keine neuen Tagebaue erschlossen werden. Claudius Prößer