Dreckige Luft durch behagliche Feuer

Feinstaub Fast wie bei Diesel: Auch Kaminöfen stoßen in der Realität mehr Dreck aus als vorgesehen

Bei Messungen ­werden 40-prozen­tige Abweichungen toleriert

BERLIN taz | Beim Wort Feinstaub denken viele an Diesel. Doch kommt er mittlerweile vor allem aus Kaminen im Wohnzimmer und Holzöfen im Keller. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnte am Mittwoch, in Wohngebieten mit vielen Holzfeuerungsanlagen könne die Feinstaubfracht so groß sein wie an hoch belasteten Straßen während des Berufsverkehrs.

Die Umweltschützer haben nachgemessen. Dafür verantwortlich war unter anderem Axel Friedrich. Der Internationale Verkehrs- und Luftreinhalteexperte hat sich schon im VW-Diesel-Skandal einen Namen gemacht. Er zieht zu den manipulierten Abgaswerten bei den Autos einen Vergleich – auch bei Kaminen werde „getrickst“. Verbieten wollen die Umweltschützer sie aber vorerst nicht. Vorausgesetzt: Es ändert sich etwas.

Vor allem Kamin- oder Kachelöfen „sind häufig veraltet, werden falsch befeuert und äußerst ineffizient betrieben“, sagt DUH-Expertin Hannah Hannah von Blumröder. Aber selbst modernere Öfen, etwa sogenannte Pelletöfen, müssten noch „um Faktor 10“ besser werden. Feinstaub dringt in die Lunge und teilweise in die Blutbahn ein und wird im ganzen Körper ­verteilt. Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Probleme und einige Krebserkrankungen sollen damit einhergehen können.

Das ist brisant, denn Holz gilt als eine Alternative zur Nutzung fossiler Brennstoffe. Elf Millionen Öfen und Heizkessel, die mit dem nachwachsenden Stoff befeuert werden, gibt es in Deutschland. Schon seit Anfang letzten Jahres müssen neue Holzöfen und -kessel strengere Grenzwerte einhalten. Alte Öfen sollen Schritt für Schritt bis 2024 ersetzt werden.

Es hapere aber an der Überwachung der Öfen, meint Friedrich. Die Schornsteinfeger, die alle zwei Jahre vorbeikommen und den Heizkessel zu Hause prüfen, haben zwar eichgeprüfte Messgeräte. Doch werden „Messunsicherheiten“ – genauer: 40-prozentige Abweichungen nach unten oder oben – gewährt.

Bei neueren Öfen darf zudem noch eine „Brennstoffunsicherheit“, also die schwankende Qualität von Pellets oder Hackschnitzeln, berücksichtigt werden. Kaminöfen werden erst gar nicht im realen Betrieb, sondern nur auf dem Prüfstand bei der Typenzulassung gemessen. Dieter Stehmeier, Technikvorstand beim Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks, sagt: „Der praktische Betrieb ist immer ungünstiger als der Prüfstand.“

Wie für Dieselwagen seien auch für Öfen und Kessel „realistischere Messverfahren“ geboten, meint Friedrich. Er will sich jetzt für ein Umweltzeichen, einen Blauen Engel, für Holzfeuerungsanlagen starkmachen. Stäube könnten abgeschieden und mehr elektronisch geregelt werden – die Technik für emissionsarme Öfen gebe es längst. Hanna Gersmann