kolumne
von Dinah Riese
: Dann bleib ich lieber in meiner Blase

Als Feministin habe ich das mit den Rollenzwängen längst durchschaut. Diesdasundjenes muss ich tun, denken, tragen, weil ich eine Frau bin – nicht mit mir. So dachte ich zumindest. Bis zu meinem Sommerurlaub im vergangenen Jahr.

Eine Gruppenreise in den Süden, die Sonne scheint, und der Druck des Frauseins ist verdammt groß. Die meisten meiner Mitreisenden sind zwischen Anfang und Mitte zwanzig und ihre Familien sind irgendwann in den 90er Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland eingewandert – aus Ländern also, in denen das traditionelle Frauenbild oftmals noch viel zementierter scheint als in Deutschland: die schöne und schwache Frau, die einen starken Beschützer braucht.

Völlig unvorbereitet werde ich von einem ganzen Orkan von Unsicherheit getroffen. In der Welt meiner Mitreisenden ist das Kapital einer Frau ihr Äußeres – weswegen das Wichtigste auf einer Gruppenreise mit vielen Outdoor-Aktivitäten High Heels und wasserfeste Wimperntusche sind.

Ich hingegen habe die letzten Jahre bequem in meiner eigenen Blase gelebt – umgeben von Menschen, für die eine Frau mehr sein kann als eine fürsorgende Partnerin, die sich die Zeit bis zur Fortpflanzung mit Baucheinziehen, Schminken und Schön-Anziehen vertreibt. Nicht, dass ich irgendetwas gegen schöne Kleider oder Fürsorge hätte. Ich schminke mich gerne. Aber genauso gerne lasse ich es auch sein – und finde mich trotzdem schön.

Eine Frau ist in unserer Gesellschaft eine Frau, wenn ein Mann sie will. Das ist keine neue Erkenntnis. Für mich fühlt sich diese Reise trotzdem an wie ein Schlag in die Magengrube – weil ich mich plötzlich selbst ungenügend fühle. Hätte ich mehr schicke Klamotten einpacken sollen? Kann mir hier jemand Lippenstift borgen?

Halbzeit. Wir sind mehrere Tage von Ort zu Ort gereist, gewandert und auf Kamelen geritten. Unser Nachtquartier ist ein offenes Zelt mitten in der Wüste. Eine meiner Mitreisenden klagt, sie müsse sich die Beine rasieren. Ich zucke mit den Schultern und sage, ich hätte auch Haare auf den Beinen, na und? Wir sind eben, ich wiederhole: mitten in der Wüste. Sie lächelt mich an, guckt auf meine Beine – und schreit auf: „Oh Gott, da sind ja wirklich Haare!“

Auf Menschen wachsen Haare, ja. Weil ich nicht zweimal am Tag Lust habe, diese Haare zu entfernen, soll ich bei 40 Grad im Schatten lange Hosen tragen? Nein danke. Da arbeite ich lieber wieder an der Ausdehnung meiner Wohlfühl-Blase.

Dinah Riese ist taz-Autorin