Peronisten gegen Peronisten

Bei Argentiniens Parlamentswahlen will sich Präsident Nestor Kirchner eine gute Ausgangsposition für die eigene Wiederwahl 2007 sichern. Seine größten Widersacher sind dabei seine eigenen Parteifreunde um seinen Vorgänger Eduardo Duhalde

AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT

„Ich bin ein stolzer Pinguin, aber ich bitte euch um eure Hilfe.“ Argentiniens Präsident Nestor Kirchner macht Wahlkampf pur. Er nutzt dafür die Feier zum 60. Jahrestag des Peronismus. Am 17. Oktober 1945 demonstrierten Arbeiter für die Freilassung des verhaftetet Juan Domingo Perón – das war die Geburtsstunde des Peronismus. Jetzt fällt der Jahrestag in die heiße Phase des Wahlkampfs. Am Sonntag sind Parlamentswahlen. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren und die Hälfte der Abgeordneten gewählt.

Kirchner kämpft, als ginge es um seine Wiederwahl. Er reist mit dem Füllhorn durch die Provinzen und kündigt Investitionen an. 2003 kam er ohne parlamentarische Mehrheit ins Amt. Trotz Unterstützung durch seinen Vorgänger Eduardo Duhalde war er im ersten Wahlgang mit knapp 20 Prozent nur Zweiter hinter Expräsident Carlos Menem geworden. Da dieser auf den entscheidenden Wahlgang verzichtete, wurde Kirchner ohne Stichwahl Präsident. Von diesem Makel will er sich nun befreien. Denn 2007 will er wiedergewählt werden.

Die regierenden Peronisten stellen in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit. Zweitstärkste Partei ist mit großem Abstand die Radikale Bürgerunion. Andere Parteien fallen parlamentarisch kaum ins Gewicht. Laut Umfragen wird dies so bleiben. Für Kirchner ist das jedoch kein Grund zur Beruhigung. Denn die einzig bedeutende Opposition ist unter den eigenen Peronisten: das Lager um Expräsident Duhalde. So ist die Frage, welches der beiden peronistischen Lager wie stark wird.

Duhaldes Hochburg ist die Provinz Buenos Aires. Hier lebt knapp die Hälfte der 35 Millionen Argentinier. Wer hier herrscht, kürt die Präsidenten. Das ist das Kirchners zweites Motiv: Er will sich von Duhalde Einfluss befreien. Da sich die Peronisten nicht auf gemeinsame Kandidatenlisten einigen konnten, treten alle Kirchneristen auf einer eigens gegründeten Liste an. Das war die Spaltung.

In der Provinz Buenos Aires kommt es jetzt zum Showdown. Präsident und Expräsident schicken ihre Ehefrauen ins Rennen: Die Juristin Cristina Fernández de Kirchner und Hilda „Chiche“ Duhalde kandidieren für den Senat. „Chiche“ verkörpert dabei den alten, klientelistischen Peronismus, ist jedoch lediglich der verlängerte Arm ihres Mannes.

Cristina Kirchner gewinnt dagegen mit ihrem sachlichen Auftreten Unterstützung in der Mittelschicht und bei Intellektuellen, kann jedoch nicht die Massen mobilisieren. Das macht dafür ihr Mann. Er erreicht die unteren Schichten, bei ihm wehen die Fahnen und donnern die Trommeln. Der Präsident ist ein Machtmensch aus der rohstoffreichen und deshalb wohlhabenden südlichen Provinz Santa Cruz, wo die Pinguine die Touristen anlocken. Deshalb ist er in allen Karikaturen ein Pinguin. Spötter bezeichnen Santa Cruz als Emirat. Kirchner herrschte dort einst wie ein Emir. Für die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist die Provinz der direkte Arbeitgeber.

Hier liegt der Unterschied zur klientelistischen Politik seiner Vorgänger, insbesondere Duhalde. Kirchner sichert sich seine Macht nicht mit dem einfachen Prinzip der Vetternwirtschaft, indem er Finanzmittel zur Verfügung stellt. Er schafft vielmehr Abhängigkeiten, indem er Gelder verspricht, aber die Kontrolle darüber nicht aus der Hand gibt. Der stolze Pinguin bittet nicht um Hilfe, er zahlt dafür.

Laut Umfragen liegt Cristina Kirchner deutlich vor Chiche Duhalde. Doch werden nach dem Wahlsystem wohl beide in den Senat einziehen. Kritiker fürchten, dass die Peronisten durch die getrennten Listen ganz legal Regierung und Opposition im neuen Kongress stellen werden.