Europa verlässt die Menschen im Schlamm

Flüchtlinge Zehntausende stecken wegen der geschlossenen Grenzen fest. Politiker zeigen Härte

IDOMENI afp | Im griechischen Grenzort Idomeni haben Hunderte Flüchtlinge gegen die Schließung der Grenzen protestiert. Vor allem Syrer und Iraker setzten sich am Samstag auf die Bahngleise und riefen „Öffnet die Grenze“. Seit einer Woche sitzen dort rund 14.000 Flüchtlinge unter schlimmsten Bedingungen fest.

Der 44-jährige Nasim Serhan, der mit drei Kindern unterwegs ist, trat in den Hungerstreik, weil er zu seiner krebskranken Frau und dem vierten Kind will, die sich in Deutschland aufhalten. „Ich möchte sie sehen, nur für einen Tag“, sagte Serhan.

Ai Weiwei, der schon mehrfach mit Kunstaktionen auf die Notlage der Flüchtlinge aufmerksam gemacht hat, brachte am Samstag einen weißen Flügel nach Idomeni. Mitten im Schlamm gab die 24-jährige Syrerin Nur Alchsam darauf ein Konzert, während Ai Weiwei und andere Helfer sie und das Klavier mit einer Plastikplane vor dem strömenden Regen schützten.

Alchsam, die zu ihrem Mann nach Deutschland will, habe wegen des Bürgerkriegs in Syrien seit drei Jahren nicht mehr Klavier gespielt, sagte Ai Weiwei. Mit der Aktion wolle er der Welt zeigen, „dass Kunst den Krieg überwinden wird“.

Der griechische Vizeverteidigungsminister Dimitris Vitsas sagte, die Regierung versuche, die Flüchtlinge davon zu überzeugen, sich in Aufnahmezentren bringen zu lassen. Bis zum Ende kommender Woche sollten dort Plätze für 50.000 Menschen geschaffen werden. Schätzungen zufolge halten sich derzeit rund 42.000 Flüchtlinge dort auf. Die meisten von ihnen kommen über die Türkei.

Laut einem Bericht der Welt am Sonntag arbeiten die EU-Staaten bereits an einem beschleunigten Auswahlverfahren, um schnell große Flüchtlingskontingente aus der Türkei aufnehmen zu können. Eine Auswahl durch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR werde nicht in Betracht gezogen, da es zu lange dauere, berichtete die Zeitung unter Berufung auf EU-Verhandlungskreise.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz forderte unterdessen weitere Grenzschließungen in Europa, um nach der Schließung der Balkanroute ein Ausweichen der Flüchtlinge auf andere Routen zu verhindern. Auch die Italien-Mittelmeer-Route müsse gesichert werden, sagte Kurz der Bild am Sonntag.