Kunst am Bau, Bunker-funktion und Geheim-Bahnhof: Die letzten Stationen der U2 haben es in sich
: Mit der U-Bahn ins Nichts

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AM RAND

Klaus Irler

Vergangene Woche feierte die Hochbahn 25-jährigen Jahrestag der Verlängerung der U2 von Niendorf-Markt bis Niendorf-Nord. Am 9. März 1991 wurden die drei Stationen Joachim-Mähl-Straße, Schippelsweg und Niendorf-Nord eröffnet. Nun ja, vergangene Woche ist auch ein Sack Reis in China umgefallen. Aber das Jubiläum hat etwas, das uns alle angeht.

Zum Beispiel wurden die drei Stationen Kalter-Krieg-mäßig so gebaut, dass sie als Bunker für die Zivilbevölkerung genutzt werden können – alle Zugänge lassen sich durch Sperrtore abriegeln. Ferner entdeckte man damals die Kunst am Bau, weshalb alle drei Stationen durch eine ausgefeilte Gestaltung begeistern. Weil wir uns am Stadtrand befinden, geht es um eine Ästhetik des Ländlichen.

Die Haltestelle Joachim-Mähl-Straße zum Beispiel ist benannt nach einem Heimatdichter und präsentiert sich mit einer abstrahierten norddeutschen Landschaft an den Bahnsteigen: Die Kacheln sind von unten nach oben nach dem Farbmuster Braun-Gelb-Grün-Blau angeordnet, braun-gelb-grün ist die Landschaft, blau der Himmel. Gekachelt wurden keine einheitlichen Flächen, es wurden Stufen eingebaut, sodass der Raum an manchen Stellen eine Tiefendimension entwickelt.

Die Haltestelle Schippelsweg wird dagegen konkret: Die Künstler Ursula und Günter Talkenberg haben in naturalistischer Weise norddeutsche Motive realisiert, und zwar als Emaille auf Kachel. Zu sehen sind unter anderem die Mühle von Munkbrarup und die Curslacker Kirche. Die Station ist sonst ganz in Weiß gehalten, um den Kunstwerken zu besonderer Präsenz zu verhelfen.

Gestalterischer Höhepunkt der U2-Erweiterung ist die Endhaltestelle Niendorf-Nord. Die Pfeiler stellen abstrahierte Birkenstämme dar und verweisen auf das Birkenwäldchen, das der Station weichen musste. Sie vermitteln dem Betrachter ein organisches Flair. An den Wänden befinden sich ebenfalls abstrahierte Birkenstämme, durch bunte Farbeinsprengsel ins Frühlingshafte hineinspielend.

Was aber Niendorf-Nord wirklich interessant macht, ist die Tatsache, dass die Station in zwei schwarzen Tunnel endet. Es ist das Nichts, in das die Züge abfahren, wenn sie aus der Stadt kommen und das Nichts, aus dem die Züge kommen, wenn sie ihre Fahrt beginnen.

Das bedeutet: Hinter der Endhaltestelle befindet sich ein unterirdischer Bahnhof ungeklärten Ausmaßes. Ein oberirdischer Zugang ist nirgends in der Umgebung zu erkennen, da habe ich schon nachgesehen. Wahrscheinlich gibt es irgendwo eine grasbedeckte Luke, die nach unten führt. Mit ziemlicher Sicherheit gehen dort Dinge vor sich, die wir uns nicht vorstellen können.

Ich würde das gerne herausfinden. Ich recherchiere weiter. Aber ich warte, bis sich die Jubiläums-Aufregung gelegt hat und nicht mehr ganz Hamburg nach Niendorf-Nord blickt.