Salz in der Wunde

Frauen Die Reihe „Salt + Sass“ bietet Frauen in der Musikindustrie die Gelegenheit, Netzwerke zu knüpfen

„Die Dance-Music-Szene braucht Frauen über 40. Sie braucht stillende DJs, die ihre Kinder ins Bett bringen, bevor sie anfangen aufzulegen. Sie braucht auch Unbehagen, bei aller Euphorie. Dance Music braucht Salz in ihren Wunden!“ Die Feministin und DJ Marea Stamper alias The Black Madonna traf im vergangenen Jahr mit dieser Aussage über den Zustand der Musikindustrie den Nagel auf den Kopf. Weibliche DJs, die schlechter bezahlt werden, Produzentinnen, die sich von Tontechnikern herablassend ihr Equipment erklären lassen müssen oder gleich als Freundin des Bookers abgestempelt werden – nahezu jede Künstlerin kann von solchen Zwischenfällen ein Lied singen. Doch wie steht es um die Bookerinnen, Promoterinnen und um all die anderen Frauen, die in der Musikindustrie arbeiten?

Kat Young, die 2012 von Glasgow nach Berlin zog, um als Technical Account Managerin bei Soundcloud zu arbeiten, stellte sich diese Frage auch. „Mein Chef schlug mir damals vor, auf Networking-Events zu gehen, um Frauen kennen zu lernen, die auch in der Musikindustrie arbeiten. In Berlin gab es so was aber nicht. Also beschloss ich, mein eigenes Event zu machen“, beschreibt sie die Idee hinter ihrer Reihe „Salt + Sass“, die am Internationalen Frauentag zum vierten Mal im Soundcloud-Headquarter stattfand. Der Name „Salt + Sass“ bezieht sich einerseits auf das Zitat Marea Stampers, andererseits auf das Riot-Grrrl-Magazin Sassy, das Young als Teenagerin liebte. Es geht ihr darum, Frauen in der Musikindustrie eine Plattform zu geben, um sich zu unterstützen und sichtbar zu werden.

„Vielen Frauen fehlt der direkte Zugang zu Vorbildern oder Mentorinnen. Natürlich ist es durch Social Media einfacher geworden, Leute zu kontaktieren, aber ich wollte einen Ort schaffen, an dem sich Frauen in allen Stadien ihrer Karriere auch mal außerhalb von E-Mail-Gesprächen oder dem Clubkontext treffen können“, sagt Young, während die ersten Gäste eintreffen und sich über die vegane Pizza hermachen. Es gibt Wickel- und Stillmöglichkeiten, die Atmosphäre ist entspannt und gesprächig. Im Hintergrund läuft dezent elektronische Musik, man scheint sich zu kennen oder stellt sich im Zweifelsfall einfach dazu. Freibier fördert die Gesprächsbereitschaft, die meisten sind aber vor allem wegen des Talks gekommen.

Jedes Mal lädt Young zwei Frauen aus der Industrie zum Gespräch. Unter dem Motto „Women who work together“ spricht an diesem Abend Melissa Taylor, Chefin von Tailored Communication, einer der erfolgreichsten PR-Agenturen für elektronische Musik, mit der Produzentin Avalon Emerson. Emerson wird als Künstlerin durch Tailored Communication promotet und arbeitet zugleich als Softwareentwicklerin für die Agentur. „Wie seid ihr beide hin gekommen, wo ihr jetzt seid, und was macht eine PR-Agentur überhaupt?“ Moderatorin Elissa Stolman, die unter anderem für das Musikmagazin Electronic Beats schreibt, stellt die Fragen, die den stylischen Youngsters im Publikum am meisten unter den Nägeln brennen dürften.

Es geht um sexistische Fragen in Interviews, den Umgang mit Trollen und die schützende Funktion, die die Agentur für Künstler übernehmen sollte. Doch auch die Frage, wie Taylors Arbeit sich veränderte, als sie Mutter wurde, oder wie Emerson zum Programmieren kam, interessieren die zahlreichen Frauen und vereinzelten Männer im Raum. „Salt + Sass“ öffnet den Diskurs für persönliche Erfahrungen und schafft neue Verknüpfungen. „Wir sehen uns nächstes Mal – oder am Sonntag im Berghain, ich tanze in der Panoramabar immer vorne rechts“, ruft man sich zum Abschied zu. Laura Aha