Gleich knallt’s

FEUERWERK Trotz vieler Warnungen wurden auch in diesem Jahr wieder Tausende verbotene Böller aus Osteuropa nach Berlin gebracht. Warum sie geliebt und gefürchtet werden – und tatsächlich ziemlich gefährlich sind

■ In Deutschland ist nur Feuerwerk zugelassen, das von der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) geprüft wurde und mit einer Identifikationsnummer versehen ist. Dazu kommt eine europaweit gültige Registriernummer in Verbindung mit einem CE-Kennzeichen. Jede Nummer kann online bei der BAM (www.bam.de) überprüft werden. Auf der Seite sind alle in Deutschland zulässigen Feuerwerkskörper aufgeführt. Verkauft werden dürfen sie nur zwischen dem 28. und dem 31. Dezember. KäuferInnen müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Geknallt werden darf dann zwischen 18 Uhr am Silvesterabend und 7 Uhr am Neujahrsmorgen.

VON MARTIN RANK

Der Fingerabrisstest bei der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) in Steglitz-Zehlendorf ist ein Klassiker. Jedes Jahr im Dezember rücken dort Fernsehteams an, um aufzunehmen, wie böse Böller aus Polen oder Tschechien Hände zerfetzen – künstliche natürlich. Zuerst wird ein handelsüblicher Chinaböller in die Plastikhand gedrückt. Der Knall geht so weit ganz in Ordnung. Die Hand ist angekohlt, keine schlimmen Entstellungen. So soll es sein. Dann kommt der böse Böller zum Einsatz. Er verursacht einen grellen Blitz, gefolgt von einer lauten Detonation. Und die Hand?

Schon Wochen vor Silvester büßte ein 17-Jähriger Neuköllner durch einen Böller aus Osteuropa zwei Finger ein. Zu jedem Jahreswechsel haben die Notärzte mit Dutzenden solcher Verstümmelungen zu tun. Etwa 500 Verletzte versorgt die Berliner Feuerwehr jährlich zu Silvester.

Warum gibt jemand für so etwas Gefährliches Geld aus?

Fans von Feuerwerk beklagen, dass die in Deutschland legal erhältlichen Böller nicht mehr so laut krachen wie früher. An strengeren Gesetzen kann das nicht liegen – da hat sich in Bezug auf Böller nichts geändert. Die Böllerfans vermuten, dass es mit Sparmaßnahmen bei der Herstellung zu tun hat. Sechs Gramm Schwarzpulver pro Böller sind in Deutschland erlaubt. In den meisten ist aber weniger enthalten.

Warum sind illegale Böller lauter als legale?

Das liegt an Inhalt und Verpackung. „Die Papphülle sorgt für den TNT-artigen Sprengeffekt“, sagt Christian Lohrer von der BAM. „Die Kartusche ist derart kompakt, dass die entzündete Mischung nirgendwo entweichen kann.“ Das führe zu einem extremen Druck, der eine kräftige Detonation erzeuge. Zudem ist in vielen der Knaller kein Schwarzpulver enthalten, sondern ein Blitzknallsatz, der aus Oxidationsmittel und einem feinen Metallpulver besteht. Diese Mischung verbrennt extrem schnell und erzeugt dabei einen grellen Blitz. In Deutschland sind solche Blitzknaller verboten.

Woher kommen die illegalen Knaller?

Legal oder illegal – eigentlich kommen fast alle Böller aus Asien, 60 bis 70 Prozent aus China. In Deutschland stellt Weco als einziges Unternehmen Böller und Raketen selbst her. Alle anderen haben die Produktion ausgelagert. 300.000 Arbeiter produzieren in der chinesischen Provinz Yunnan die Knaller. Immer wieder kommt es zu Unfällen. Im November starben bei einer Explosion in einer illegalen Fabrik in Indien acht Menschen, sechs davon Kinder.

Warum darf das gefährliche Zeug überhaupt verkauft werden?

Die EU schreibt europaweite Kontrollen für den Handel mit Feuerwerk vor. Deshalb tragen auch in Polen Knaller eine Registriernummer. Dort dürfen aber Feuerwerkskörper verkauft werden, die nicht nur Schwarzpulver, sondern auch einen Blitzknallsatz enthalten. Die sind in Deutschland verboten. Deshalb sind die Böller, die in Polen und Tschechien verkauft werden, illegal, sobald man sie über die Grenze bringt.

Wie viele illegale Knaller sind im Umlauf?

Die Berliner Polizei vermutet, dass der Schmuggel zunimmt. „Seitdem die Grenzen geöffnet sind, ist es ein Leichtes, Böller über die Grenze zu bringen“, sagt der Sprecher Thomas Neuendorf. Die Zahl der Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz ist in Berlin von 243 Fällen im Jahr 2010 auf 329 Fälle im Jahr 2011 gestiegen. In diesem Jahr hat der Zoll bereits bis Mitte Dezember 21.819 illegale Böller sichergestellt, vor allem im Raum Frankfurt/Oder.

Geht es noch strenger als in Deutschland?

Aber ja. In Frankreich beispielsweise dürfen nur noch Böller verkauft werden, die nicht länger als sieben Zentimeter sind. Deshalb schmuggeln nicht nur die Deutschen fleißig illegales Feuerwerk, sondern eben auch die Franzosen – und zwar die Böller aus Deutschland.