MUSIK

Musik PHILIPP RHENSIUS

hört auf den Sound der Stadt

Die Macht der Musik steckt auch darin, uns für einen Moment dem Regime der linearen Zeit zu entreißen. Minuten werden zu Sekunden, Stunden zu Minuten. So wie bei fump,der am Donnerstag im Madame Claude spielt. Seine eher arhythmischen Tracks sind verdichtete Klangarchitekturen: Raue Klangwände werden von „schönen“ Melodien abgeschliffen, Momente der Stille von Eruptionen abgelöst. Davor betritt die Singer/Songwriterin Rita Braga die Bühne der gemütlichsten Konzertlocation Kreuzbergs. In den dahingeträumten Songs manövriert sie ihre Stimme durch die von Ukulele und Keyboard erzeugten Melodien, die wohl nicht grundlos nach Kinderliedern klingen. Denn eigenen Aussagen zufolge erscheinen in ihren Träumen gelegentlich Figuren wie Bugs Bunny (Lübbener Str. 19, 21 Uhr).

Eher Pumuckl als Roadrunner könnte der neuen Band des Ex-Stereolab-Musikers Tim Gane im Traum begegnet sein. Zumindest, wenn man den Namen nimmt: Cavern of Anti-Matter.Viele Songs des am Freitag in der Berghain Kantine zu hörenden Trios klingen wie der Titelsong des Debüts „Blood Drums“. Ein immer gleicher Schlagzeugbeat, eine immer gleich bleibende E-Bass-Linie und eine hingeschluderte Synthesizer-Melodie. Der PR-Text nennt das Neo-Kraut, doch besser passt: Neo-Fahrstuhlmusik. Nicht abwertend gemeint, müssen doch alle mal den Lift benutzen, auch wenn wohl die wenigsten damit ganz nach oben kommen (Am Wriezener Bahnhof, 20 Uhr).

Was auch nicht nötig ist, denn oft spielt die gute Musik unten, in den Kellern für elektronische Clubmusik. Am Samstag sind im Acud December und Manta zu Gast. Während Letzterer tanzbare Dystopien zwischen Basic Channel und Moodyman erschafft, komponiert der gebürtige Pariser für das tolle Ambient-Techno-Jungle-Postpunk-Label Blackest Ever Black (Veteranenstr. 21, 22 Uhr).

Radikal gedehnte statt fein getaktete Musik gibt’s sonntags in der Volksbühne, wo die isländische Musikerin Kristín Anna Valtýsdóttir ihr Album „Howl“ vorstellt, das sie in einem Psycho-Rausch in der Mojave-Wüste aufgenommen hat: Satanische Ambient-Melodien treffen auf mikrotonale Klangtexturen (Rosa-Luxemburg-Platz, 20 Uhr).

Weil Hören immer auch Denken ist, empfiehlt sich montags die Diskursreihe „Rhythm-Expression“. Dort diskutieren der Komponist Bernhard Lang und die Performancegruppe P.A.R.T.S einen um gesellschaftliche und politische Dimensionen erweiterten Rhythmusbegriff. Sie fragen sich: Wenn Beschleunigung den gegenwärtigen Rhythmus von Arbeit bestimmt, lassen sich dann nicht auch andere Rhythmen produzieren, die einer kollektiven Selbstwerdung zugutekommen? (Schaperstraße 24, 16 Uhr).