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: Ein ziemlich hybrides Ding

„Bone Tomahawk“ (USA 2015; Regie: S. Craig Zahler)↓

Eine beschauliche kleine Westernklischeestadt in der texanisch-mexikanischen Grenzregion. Im Saloon ist wenig los, „The Learned Goat“, also „Die gelehrte Ziege“, heißt der Laden. Der Pianospieler pennt mit dem Kopf auf dem Kissen am Klavier. Wenn er loslegen soll, will er dafür nicht nur einen Whisky, es gibt auch keinen Mengenrabatt, sondern jeder weitere Song kostet mehr, weil der Sog zurück Richtung Klavierschlaf schließlich mit der Dauer der Spielzeit auch wächst.

Details wie dieses tun eigentlich wenig zur Sache, falls man denn die erzählte Geschichte und nicht ihre Details für die Sache halten will. Da gerät man aber bei S. Craig Zahler, Drehbuchautor und Regisseur von „Bone Tomahawk“, an den Falschen.

Zahler ist seiner Herkunft nach eher Drehbuchautor als Regisseur, er hat zwei hoch geachtete Westernromane geschrieben – und garantiert keine Seminare bei den großen Plotpointdrehbuchlehrmeistern, wie etwa beim US-Drehbuchguru Syd Field, besucht. Zwar kommt in seinem Regiedebüt durchaus eine Geschichte in Gang. Und sogar schon in diesem Saloon.

Sheriff Franklin Hunt, von keinem Geringeren als Kurt Russell gespielt, schießt einem Fremden namens Buddy in den Fuß; und damit nimmt das Verhängnis seinen ziemlich lang­samen, aufs Angenehmste humpelnden Lauf. Der Mann wird aus dem Knast entführt, die schöne Ärztin dazu, worauf ­deren doppelt waidwunder Gatte ihr sofort hinterhereilen will.

Eine Expertenmeinung

Vorher wird allerdings in einem schön unsortierten Auflauf im Saloon noch beraten. Der als Experte hinzugezogene und sichtlich dem gehobenen Bürgertum der Stadt angehörende Native American erklärt, die Entführer seien völlig aus der Art geschlagene Wesen, Troglodyten, fast gar keine Menschen. Da hat er recht. Kannibalen sind sie, schreckliche Laute stoßen sie auch aus. Sie sprechen nicht und mit den knöchernen Tomahawks des Filmtitels stellen sie ziemlich schreckliche Dinge an.

Der Film schreckt dabei vor gar nichts zurück. Sie sind brutale, vertierte Wesen, so richtig schlechthin das Böse und Fremde. Und als solches, dem Western-Genre ganz Fremdes, stoßen sie auch diesem Film zu; im einen Moment – um genau zu sein: die längste Zeit seiner gut zwei Stunden – ist er ein Western in der Tradition von John Fords „Der Schwarze Falke“. Aber dann springt er, oder gleitet vielmehr, in den noch dazu ganz schön expliziten Horrorfilmmodus. Die Selbstverständlichkeit, mit der er beides verbindet, den Horror dem Western und den Western dem Horror inkorporiert, nimmt sehr für „Bone Tomahawk“ ein. Und der Film verfährt dabei gerade nicht kannibalisch.

„Bone Tomahawk“ ist sehr an seinen ­Figuren interessiert und dabei wunderbar unangestrengt

Auf zu den Troglodyten

Es ist, anders als bei mancher Western-Hommage oder -Parodie, nicht Fleisch vom eigenen Fleisch, das er vor den Augen des Kenners verzehrt, sondern er bleibt in seiner Lust an der Genre-Vermischung ein sehr eigenständig hybrides Ding. Der Plot ist, wie gesagt, eher schlicht: Vier Männer machen sich auf, den kannibalischen Troglodyten die Ärztin zu entreißen.

Der Gatte, der Sheriff, sein etwas unterbelichteter Deputy Chicory (Richard Jenkins) und ein Mann, der sich für sehr schlau hält, und es vielleicht sogar ist; nur schlau genug letzten Endes dann auch wieder nicht. Der Weg ist weit, die Gegend gefährlich. Vor allem ist auch viel Raum für die großartigen, oft mit viel Understatement versehenen lakonischen und komischen Dialoge, die zu spielen und sprechen die tollen Darsteller sichtlich genießen.

Darauf bleibt der Film auch konzentriert. Die Kamera tut nicht viel, ist gerne ein bisschen wacklig, aber unaufdringlich bei allem dabei. Sie jagt einem nicht den Schrecken in die Glieder. Bei aller Grässlichkeit bleibt „Bone Tomahawk“ sanft; bei aller Lakonik an seinen Figuren sehr interessiert; und bei aller Lust an der Hybridisierung wunderbar unangestrengt. Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 15 Euro im Handel erhältlich