Das Wahlkampftagebuch
: Wölfe, Techno, Hallervorden – alles für die Liberalen

Thomas Gerlach

Foto: Kathrin Windhorst

Die Analysen von taz-RedakteurInnen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz.

Thomas Gerlach, taz-Reporter, ist aufgewachsen im Jericho­wer Land von Sachsen-Anhalt, einer Wolfs-Hochburg.

Hans-Dietrich Genscher war lange nicht beim Friseur. Aber er ist schlanker geworden und trägt jetzt einen Bart. Was? Das ist gar nicht Genscher, der weltberühmte Liberale aus Sachsen-Anhalt? Nein, seine Rolle als Schutzpatron der Landes-FDP hat Dieter Hallervorden eingenommen.

Der Auftritt im Golfpark Dessau ist eine Heimkehr. Der Schauspieler und Kabarettist wurde 1935 in Dessau geboren, 1958 verließ er die DDR, ging nach Westberlin und wurde berühmt. Nun sitzt Hallervorden neben Frank Sitta und plaudert über Politik. Über liberale Politik. Ziemlich leidvolle Erfahrungen habe er mit dem Schulsystem der DDR gemacht, erinnert sich Hallervorden. Sein Motto seitdem: „Neben Gesundheit ist Freiheit das höchste Gut.“ Ob man deswegen gleich die FDP wählen muss?

Schön wäre es schon, jedenfalls für Frank Sitta, der die Partei am 13. März aus der Totenstarre holen will. Nur noch 3,8 Prozent der Wähler gaben 2011 den Liberalen ihre Stimme, trotz Genschers Wahlkampfhilfe.

Genscher, der Hallenser, der Außenminister, vollbrachte in Sachsen-Anhalt wahre Wunder. Das Land war einst die liberale Festung im Osten. Im Oktober 1990 holte die FDP 13,5 Prozent für den neuen Landtag. In der Bundestagswahl danach gewann die FDP erstmals seit 1957 wieder ein Direktmandat – mit 34,5 Prozent in Halle, der Hans-Dietrich-Genscher-Stadt.

Dessau ist nun Hallervorden-Stadt, jedenfalls ein bisschen. Zwar ist Hallervorden kein FDP-Mitglied, nur Sympathisant, das aber seit Langem. Schon 1983 bestritt er einen Wahlwerbespot für die FDP. „Ich bin stets der Zukunft zugewandt“, wandelt Hallervorden nun einen Vers aus der DDR-Nationalhymne ab, kommt auf sein Engagement beim Berliner Schlosspark-Theater zu sprechen, lobt freies Unternehmertum und setzt auf die Kraft von Kunst und Kultur. „Kunst wäscht bekanntlich den Staub von der Seele.“ Applaus.

Zeit für Kultur – und für Gefühle. Die FDP arbeitet an ihrem neuen Image. Frank Sitta zum Beispiel soll sehr gut tanzen können, kein Walzer, eher technomäßig. Der 37-jährige Politologe mit der sportlichen Statur hat während des Studiums in einem Techno-Club gearbeitet und später auf Eventmanagement umgesattelt.

Sitta, vor einem Jahr von der schwindsüchtigen Landes-FDP zum Vorsitzenden erkoren, soll die Partei als Spitzenmann wieder in den Landtag führen. „Rechtsstaat statt Rechtsruck!“ plakatiert die FDP, will Unzufriedene ansprechen und sich als Alternative zur AfD anbieten. Umfragen sehen die Partei zwischen drei und fünf Prozent, Tendenz leicht steigend.

Möglicherweise hilft der FDP nun auch der Wolf. Die Spuren seiner Gegenwart im Land füllen ganze Zeitungsspalten. Acht Rudel sollen in Sachsen-Anhalt leben. Am helllichten Tag überfiel ein Wolf eine Schafherde beim Dörfchen Hohenziatz und das, obwohl ein Schäfer anwesend war, meldete vor kurzem die Volksstimme.

Ein FDP-Kandidat warnt vor Wölfen:Es gehe schließlich um Eigentum

Ein Fall für die FDP. Allard von Arnim, Spross eines uralten märkischen Adelsgeschlechts und örtlicher Direktkandidat, lud zum Abend über Wolf und Jagdrecht. Eigentlich keine Herzensangelegenheit der FDP. Doch, doch, erwidert von Arnim, es gehe schließlich um Eigentum. Je mehr Wölfe, desto kleiner das Jagdglück, desto geringer die Erlöse aus der Jagdpacht, ließe sich zusammenfassen. Der Wolf als Gefahr für den Besitz.

Sechzig Interessierte konnte Allard von Arnim begrüßen – Jäger, Landwirte, Dorfbewohner. Mögen die Wölfe auf Truppenübungsplätzen heimisch werden, so seine Botschaft, in Siedlungsgebieten nicht. Die FDP sei die einzige Partei, die das Problem aufgreife, zeigte sich von Arnim überzeugt – und optimistisch. Vielleicht der Quell für den entscheidenden Stimmenzuwachs am 13. März. Bedauerlicherweise auf Kosten des Wolfes. Obwohl gerade er Sachsen-Anhalt ja äußerst lebenswert findet.