Sanfter Drill

EISHOCKEY-PLAYOFFS Cory Clouston, kanadischer Trainer mit NHL-Erfahrung, soll die eher durchwachsene Saison der Kölner Haie jetzt noch retten

Bei jedem Fehler schreitet er sofort ein: Cory Clouston Foto: imago

aus Köln Christiane Mitatselis

Wie Feiern auf Deutsch gehen kann, hat Cory Clouston schon erlebt, nämlich so: Daniar Dshu­nus­sow, Torhüter der Kölner Haie, schlug am Freitag Purzelbäume auf dem Eis der Köln-Arena. Er und seine Mitspieler drehten bei schreiend lauter Karnevalsmusik eine Ehrenrunde nach der anderen, die gut 18.000 Zuschauer waren außer sich vor Freude und huldigten den Haie-Helden mit tosendem Applaus. Am Rand der Bande sah der kanadische Trainer staunend zu. Der 46-Jährige war von 2009 bis 2011 zwar Coach der Ottawa Senators in der großen National Hockey-League (NHL) – eine solche Eishockey-Feier hatte er aber noch nicht gesehen. „Ich dachte, gleich hebt das Dach ab“, sagte er später.

Man hätte meinen können, die Haie zelebrierten mindestens die deutsche Eishockey-Meisterschaft. In Wahrheit hatten sie nur den Lieblingsfeind Düsseldorf mit 3:1 besiegt und sich für eine Letzter-Strohhalm-Runde namens Pre-Playoffs qualifiziert. Die Teams auf den Rängen sieben bis zehn streiten sich in der Deutschen Eishockey-Liga ab Mittwoch in einer Best-of-3-Serie um zwei Plätze im Playoff-Viertelfinale. Die Haie, die am Sonntag ein 1:0 in Iserlohn nachlegten, treffen auf den Zehnten, Adler Mannheim. Ingolstadt spielt gegen Straubing.

Wenn man den Haien vor der Saison mit den Pre-Playoffs gekommen wäre, hätten sie die Nase gerümpft. Sie galten als der Titelfavorit, denn sie hatten lauter überdurchschnittlich starke Spieler eingekauft. Mit dem schwedischen Trainer Niklas Sundblad kamen die Profis jedoch gar nicht in Fahrt und drohten aus den Playoff-Rängen zu stürzen. Am 20. Januar wurde Sundblad gefeuert, Clouston (sprich: Kluhsten), Neuling in Europa, flog aus Vancouver ein und eilte vom Flughafen direkt an die Bande. Ihm blieben nur 15 Spiele, um die Kölner auf Kurs zu bringen. Und er fand gelehrige Schüler vor. Die Spieler sehnten sich nach taktischer Anleitung, die ihnen Sundblad offenbar nicht geboten hatte. Dessen Erfolgsrezept lautete: hart trainieren. Und wenn es nicht lief: noch härter trainieren. Clouston setzt nun auf kurze, strukturierte Einheiten. Bei jedem Fehler schreitet er sofort ein – mit Erfolg: Neuerdings halten sich alle Profis an Vorgaben und geben auch, wenn sie zurückliegen, nicht auf. All das war vorher nicht der Fall, es machte vielmehr jeder, was er wollte.

Ausländische und einheimische Profis loben Clouston unisono für sein Training, seine Eishockey-Kenntnisse und seine sachliche Art. „Seit Cory hier ist, habe ich das Gefühl, dass sich etwas entwickelt“, sagte unlängst der kanadische Verteidiger Shawn Lalonde (25), der unter Clouston um Klassen besser spielt als vorher.

Die Ausgangslage: Am Mittwoch beginnen Playoffs in der Eishockey-Liga. Die Iserlohn ­Roosters sind das Überraschungs­team der Vorrunde. Sie gehen als Dritter in die Playoffs. Damit hätte vor der Saison kaum einer gerechnet. Das mit Blick auf die Nationalmannschaft durchaus umstrittene Konzept, vor allem kanadische Profis mit deutschem Pass zu engagieren, ging voll auf. Weniger gut lief die Saison für den Deutschen Meister, Adler Mannheim. Der Klub kam als Vorrunden-Zehnter gerade noch so in die erste Playoff-Runde. Dort muss der abgestürzte Champion gegen Köln das Viertelfinal-Ticket buchen.

Bleibt die Frage, wie sich ein Mann wie Clouston in die kleine deutsche Liga verirren konnte. Kein anderer DEL-Trainer kann fast drei Jahre NHL-Erfahrung vorweisen. Clouston begründet es so: „Es wird auch hier auf einem hohen Level Eishockey gespielt. Die Organisation ist sehr professionell. Für mich ist es eine sehr positive Erfahrung und definitiv ein guter Schritt.“

Hinzu kommt: Bevor Clouston nach Köln kam, hatte er anderthalb Jahre keine Mannschaft betreut. Nach seinem NHL-Engagement in Ottawa, für das er viel positive Kritik bekommen hatte, war er Trainer der Prince Albert Raiders in der renommierten kanadischen Juniorenliga WHL. Dort coachte er unter anderem das deutsche Wunderkind Leon Draisaitl und war insgesamt recht erfolgreich, wurde aber dennoch im Oktober 2014 entlassen.

Er war über die Jahre in den Ruf geraten, ein Drillsergeant, ein Schleifer zu sein. Spieler maulten, er behandle sie ungerecht. Womöglich trug es dazu bei, dass er keine interessanten Offerten bekam. „Es gab ein paar Jobgelegenheiten, die mir nicht gefielen. Und andere, die ich zwar wollte, aber nicht bekam“, sagt Clouston. Das Angebot aus Köln habe ihm sofort gefallen – denn: „Ich dachte, dass ich helfen kann, ich mag schwierige Jobs.“ Cloustons Vertrag läuft nur bis zum Ende der Saison. Wie sie für die Haie auch ausgehen mag, der Klub möchte ihn gern in Köln behalten. Der Kanadier scheint nicht abgeneigt zu sein. Wahrscheinlich würde er gern mal sehen, wie in Köln gefeiert wird, wenn es auch noch einen echten Anlass gibt.