Dreizehn Schläge mit dem Hammer

Verbrechen Eine junge Frau steht vor Gericht – als Mörderin ihrer Großtante

Sie wirkt wie ein Engel mit ihrem offenen Gesicht, den hellbraunen Locken, der schlichten Kleidung. Doch Sabrina S. steht unter Mordanklage: Heimtückisch soll die 18-Jährige Ende Juni in Steglitz ihre Großtante mit dem Hammer erschlagen haben. Gestern erklärte S. vor der Jugendkammer des Landgerichts, wie es aus ihrer Sicht zur Tat gekommen war.

Sie habe allein mit ihrer Mutter zusammengewohnt, ihr Vater spielte keine Rolle. Ihr älterer Bruder wuchs im Heim auf, mit ihm versteht sie sich gut. Auch mit ihrer Mutter habe sie früher gekuschelt und mit ihr über alles reden können. Die Mutter habe sich darum gekümmert, dass sie im Schwimmen und Fußball gefördert wurde. „Das war so, bis ich in die Pubertät kam“, so Sabrina S. 2010 notierte sie in ihrem Tagebuch: „Mama stresst voll, ganz besonders, wenn sie mit Lotte telefoniert. Dann lästern die über mich.“ Lotte, das war die Schwester ihrer Oma. Weil die Mutter den Lautsprecher angeschaltet hatte, bekam die Tochter mit, dass sie als verwöhnt und undankbar charakterisiert wurde. Verletzt habe sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen und geweint.

In den folgenden Jahren flüchtete sie sich zunehmend nach draußen, wo sie Freunde traf, die sie nicht in die Wohnung mitbringen durfte. „Ich habe mich immer mehr rausgelebt.“ Später jobbte sie neben der Schule, finanzierte sich ihren Führerschein und traf sich mit ihrem ersten festen Freund, den die Mutter aufgrund seines russischen Namens nicht einmal näher kennenlernen wollte. Dann habe die Mutter von ihr verlangt, bis zum 1. August auszuziehen. Sabrina S. bat, noch ihr Abitur machen zu dürfen. Ihre Mutter blieb unnachgiebig.

Eines Tages fehlte der Fernseher in ihrem Zimmer, ebenso ihr Computer. Die Mutter meinte, Sabrina S. brauche die Geräte nicht. Ohne Laptop schien die ohnehin schwierige Wohnungssuche aussichtslos. S. wandte sich ans Jugendamt. Doch die hätten „auch nichts machen können“, da die Mutter angab, das Gerät verkauft zu haben. Im Jugendamt soll man eine psychische Erkrankung der Mutter vermutet haben. Vielleicht erfährt man im Verlauf des Prozesses noch, warum die offensichtlich verzweifelte junge Frau nicht stärker von der Behörde unterstützt wurde.

Sabrina S. überlegte: Sie wollte weder in die enge Wohnung ihres Bruders oder zur Familie ihres Freundes ziehen noch zur dementen Großmutter. Ob Lotte ihr helfen könnte, die Großtante mit dem großen Einfluss auf ihre Mutter? S. sah es als letzte Chance: „Ein Nein wollte ich nicht akzeptieren.“

Ein Kribbeln im Körper

Doch als sie bei Lotte auftauchte, habe diese höhnisch reagiert, sie aus ihrer Wohnung werfen wollen. Sabrina S. habe auf das Schränkchen hinter sich gegriffen, wo ein Kinderbild von ihr stand. Dort habe der Hammer gelegen, mit dem sie der Großtante dann auf den Kopf schlug. Die meckerte weiter. S. habe an die Lästereien von früher denken müssen, habe gewollt, dass das Gezeter aufhört. Ein Kribbeln habe ihren Körper durchzogen, ein stechender Schmerz ihren Kopf. Sie muss weiter zugeschlagen haben, wie oft, habe sie nicht gezählt.

Als sie später von dreizehn Wunden erfuhr, sei sie entsetzt gewesen. Sie habe einen Blackout gehabt, selbst an das Gespräch mit der von den Schreien alarmierten Nachbarin könne sie sich nicht erinnern. S. rief aber selbst die Feuerwehr, die nur noch den Tod der 79-Jährigen feststellen konnte.

Sollte das Gericht ihren Angaben glauben, könnte die junge Frau vermindert schuldfähig gewesen sein und nur einen Totschlag begangen haben. Ende April soll das Urteil fallen.

Uta Eisenhardt