David Joram verfolgt einen Prozess wegen Beamtenbeleidigung
: Wer ist denn nun Rassist?

Der Gerichtssaal, in dem sich Lea H. am Montagmorgen verantworten muss, ist eigentlich viel zu klein. 24 Plätze stehen den BesucherInnen zur Verfügung – zu wenige, wie sich alsbald herausstellt. Das Interesse an dem Fall, der sich am 17. Mai 2015 im Görlitzer Park in Kreuzberg abgespielt hat, ist groß. Es geht um Beamtenbeleidigung. Einerseits. Andererseits ist Rassismus das Thema.

Vor Gericht steht Lea H. Sie hatte in der Wiener Straße, von der Polizei als „Gefahrenzone“ eingestuft, an jenem Tag beobachtet, wie zwei in Zivil auftretende PolizistInnen einen schwarzen Mann ohne für sie ersichtlichen Grund aufforderten, sich auszuweisen. Der Mann hielt dies für nicht angebracht, Lea H. ebenso wenig. Sie schritt ein, fragte nach, warum denn sie als weiße Person nicht kontrolliert würde.

Laut ihrer Erklärung hätten die BeamtInnen für ihr Verhalten keine Begründungen vorgebracht. Nichts anderes als rassistische Willkür sei die Kontrolle demnach, fand Lea H. – und sagte das auch den BeamtInnen. Einer will allerdings verstanden haben, sie hätte ihn als Rassisten verunglimpft, und hatte sie wegen Beamtenbeleidigung angezeigt. Gegen den Strafbefehl über 750 Euro legte H. indes Widerspruch ein; sie streitet den Vorwurf ab.

Der am Montag als Zeuge geladene Polizist muss zugeben, sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern zu können. Seine Partnerin meint indes, sie wisse sicher, dass der Ausdruck „Rassist“ gefallen sei. Was die Beleidigung angeht, sind sich die PolizistInnen also nicht einig.

Und wie sieht es nun mit „racial profiling“ in diesem Fall aus? Das ist so eine Sache. Es bleibt vor Gericht unklar, auf welcher Rechtsgrundlage und nach welchen Kriterien die PolizistInnen den schwarzen Mann befragten. Vieles wisse man eben aus Erfahrung, sagen die Beamten. So folgere man, wer nun ein Dealer – offensichtlich das Ziel der Kontrolle – sein könnte und wer nicht. Weiße Frauen scheiden da wohl aus, schwarze Männer eher nicht. Das ist die Realität.

Das weiß jede/r, will aber niemand zugeben. Und so winden sich die PolizistInnen um die Fragen der Verteidigerin, die beispielsweise wissen will, wie lange die Zielperson vor der Kontrolle denn beobachtet wurde. Der Polizist sagt: „Zwei Minuten lang.“

Eine Antwort, die erschrecken mag – und doch folgenlos bleibt. Am Pranger steht nur Lea H. Ihr Verfahren wird eingestellt, gegen 130 Stunden gemeinnützige Arbeit.