Nach dem EU-Gipfel

Premier David Cameron will seinen Landsleuten empfehlen, beim Referendum für einen Verbleib in der EU zu stimmen. Klappt das?

„Dave’s Deal“ nein, Brexit ja

Ortstermin Während David Cameron über einen Verbleib Großbritanniens in der EU verhandelte, trafen sich in London Tausende Austritt-Fans

Nicht begeistert: Ukip-Chef Nigel Farage mit der „Grassroots Out“-Krawatte Foto: Peter Nicholls/reuters

LONDON taz | Es mag ein Organisationsfehler gewesen sein, wirkte aber symbolisch, dass Hunderten von Interessenten kein Einlass in das Konferenzzentrum nahe dem britischen Parlament gewährt wurde. Schließlich ging es bei der Veranstaltung der Lobbygruppe „Grassroots Out“ am Freitagabend um eine zentrale Frage: Soll das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland in der EU bleiben oder lieber austreten?

Sogar der konservative Abgeordnete David Davis, einer der Sprecher des Lobbygruppe Grassroots Out (Go), die das Treffen organisiert hatte, stand vor geschlossenen Glastüren, bis man ihn gerade noch rechtzeitig vor seiner eigenen Rede in den mit 2.000 Gästen vollgestopften Raum ließ. Einige der Brexit-Enthusiasten, die draußen bleiben mussten, sahen selbst die Schuld daran bei der EU: Europäische Sicherheitsvorkehrungen hätten keine weitere Person für den übervollen Saal zugelassen.

Auf der Veranstaltung gaben sich Politiker aller großen britischen Parteien – mit Ausnahme der Liberaldemokraten und der Grünen – ein Stelldichein. Die Herren trugen Krawatten, auf denen das Wort „Go!“ auf neongrün-schwarzer Schattierung prangte, unter ihnen Nigel Farage, Mitglied des Europaparlaments und Vorsitzender der EU-feindlichen United Kingdom Independance Party (Ukip).

„Anders als Dave“, erklärte Farage schelmisch, „bin ich heute schon aus Brüssel zurückgekehrt.“ Dann verglich er Cameron mit dem bettelnden Oliver Twist und feuerte das Publikum an: „Wir Briten sind besser als das!“ Trotz der Verhandlungen Camerons seien die britischen Grenzen nach wie vor so offen, dass sich Millionen Menschen vom britischen nationalen Gesundheitssystem behandeln lassen könnten. „Dave’s Deal‘ ist nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben ist!“, so Farage weiter. „Wir haben einen Ausweg, und ich schlage vor, wir schlagen ihn ein, für unsere Freiheit, unser Recht und unsere Kinder und Enkel.“

Die Abgeordnete Kate Hoey – die einzige Labour-Rednerin auf der Veranstaltung – gab, in sozialistisches Rot gekleidet, ihr Statement ab. Im Zentrum standen ihr Stolz darauf, britisch zu sein, sowie Floskeln, wie „verarmte Demokratie“, und „EU-Knechtschaft“. Da war der Tory David Davis konkreter: Für ihn ist der Brexit nötig, um „unser eigenes Schicksal bestimmen zu können“.

Lehrerin Roma Tahir, 37, Historiker Rupert Matthews 53, Lastwagenfahrer Paul Kennedy, 54, und Student und Ukip-Mitglied Tony Emin waren wie viele andere Gäste aus London und Umland zu der Veranstaltung erschienen, um endlich einmal unter Gleichgesinnten ihre Meinung bestätigt zu bekommen. Nur eine Minderheit kam, um sich zu informieren.

Die bisher zwischen den Fronten stehende 65-jährige Londoner Physiotherapieausbilderin Glynis Watson etwa verließ den Saal als Brexit-Bekennerin. „Ich bin heute überzeugt, dass wir auf unseren eigenen Beinen stehen können. Aber ich werde mir schon der Fairness wegen auch die Argumente des anderen Lagers anhören.“

Die Besucher waren bereits im Pub oder auf dem Weg nach Hause, als der Premierminister aus Brüssel verkündete, er habe sein Versprechen gehalten – und könne deshalb den Briten einen Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU empfehlen. Daniel Zylbersztajn