Der rechte, rechte Platz ist frei

Strategie Nach jüngsten Umfragen wird die AfD nach der Wahl am 18. September ins Berliner Abgeordnetenhaus ziehen. Wie reagieren SPD, CDU, Grüne und Linkspartei?

Die AfD der Hauptstadt:

Auf Bezirksebene sind Ex-CDU- und -FDP-Politiker aktiv, unauffällige Bürger sowie vereinzelt Überläufer von Piraten und Linken

von Stefan Alberti

Wenn es doch so einfach wäre. Die AfD setze nicht auf Lösungen, sondern auf billigen und teilweise gefährlichen Populismus – „daher ist sie keine Alternative für Berlin und keine Alternative zur CDU“, sagt der Landeschef der Christdemokraten, Frank Henkel. Nach den 7 Prozent der AfD in der jüngsten Meinungsumfrage hat die taz die etablierten Berliner Parteien gefragt, wie sie mit der AfD umgehen wollen – und was deren Anstieg vor allem für die Union heißt. Franz Josef Strauß sagte einmal, es dürfe rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben.

Die CDU sieht sich aber nicht in einer Sonderrolle: „Die Berliner CDU konzentriert sich wie sonst auch auf die Berlinerinnen und Berliner und darauf, geeignete Antworten auf die drängenden Probleme unserer Stadt zu geben“, äußert sich Henkel. Business as usual also. Dabei kann man die jüngste Umfrage so lesen, dass der Anstieg der AfD auf 7 Prozent gegenüber 5 Prozent in einer Dezemberumfrage allein auf Kosten der CDU geht, die in diesem Zeitraum von 23 auf 20 Prozent abrutschte.

Die Linkspartei würde allerdings auch nichts davon halten, wenn sich die Union am Strauß-Wort orientieren und AfD-Forderungen übernehmen würde. „Dadurch gräbt man denen das Wasser nicht ab, sondern leitet es auf ihre Mühlen“, sagte Klaus Lederer, der Landesvorsitzende der Berliner Linkspartei, „weil deren Anhänger spüren, dass sie dadurch die Politik immer mehr in ihre Richtung verschieben.“

Sein SPD-Chefkollege Jan Stöß sieht nicht allein die CDU unter Druck. „Da sind wir alle gefordert“, sagt er. Die SPD werde sich der AfD jedenfalls in den Weg stellen. Bei den Grünen sieht der Landesvorsitzende Daniel Wesener die Berliner Christdemokraten bereits jetzt nach rechts rutschen. Für ihn der falsche Weg, weil es nur die Rechtspopulisten stärke. Das zeige sich in vielen anderen europäischen Ländern. „Gegen die AfD hilft kein Kuschelkurs oder rechts überholen, sondern nur klare Kante“, sagt Wesener.

Im Wahlkampf soll die Strategie gegen die AfD folgendermaßen aussehen: Stöß will „diese Partei stellen“, will jeden an den Satz ihrer Vorsitzenden Frauke Petry erinnern, wonach deutsche Grenzer auf Flüchtlinge schießen sollten. Linken-Chef Lederer setzt auf Argumente und will Alternativen anbieten: solidarische Willkommenskultur statt rassistischer Ausgrenzung, soziale Gerechtigkeit statt der AfD-Forderung „nach Steuergeschenken für Reiche und Leistungskürzungen“. Die Grünen verstehen sich ohnehin „in jeder Hinsicht als eine Art Anti-AfD“, sei es in Sachen offener Gesellschaft und individueller Selbstbestimmung, der Flüchtlingspolitik oder sozialer Gerechtigkeit. „Das werden wir im Wahlkampf deutlich ­machen“, sagt Parteichef Wesener.

CDU-Chef Henkel gibt sich trotz aller Stimmenzuwächse für die AfD, die vor den Wahlen Mitte März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt dort teils noch viel stärker ausfallen, zuversichtlich. „Ich bin mir sicher, dass die Bürger in einem direkten Vergleich erkennen, dass populistische Protestparteien wie die AfD keine Lösungen bieten“, sagt er. „Womöglich ist es den sogenannten etablierten Parteien bislang nicht gelungen, dies hinreichend deutlich zu machen“, räumt der CDU-Chef auf die Frage ein, wie es denn überhaupt zu den 7 Prozent in Berlin kommen konnte.

Weniger selbstkritisch antwortet auf dieselbe Frage SPD-Chef Stöß: Es sei nicht das erste Mal, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien vorübergehend Aufwind in Umfragen haben. Als Wahlziel gibt er aus, die AfD am 18. September aus dem Abgeordnetenhaus rauszuhalten. Linkspartei-Chef Lederer macht für das Wachstum der AfD mehrere Entwicklungen verantwortlich: den Abbau des Sozialstaats sowie den zunehmenden Konkurrenzdruck, der Ängste vor Abstieg und Ausgrenzung erzeuge. Seine Erklärung richtet sich an die CDU, neuerlich aber auch an die SPD, Sprüche von einer deutschen Leitkultur hätten den Boden für rassistische Ressentiments bereitet.

„Gegen die AfD hilft kein Kuschelkurs, sondern nur klare Kante“

Berliner Grünen-Chef Daniel Wesener

Bei der Frage, ob die AfD in Spitzenkandidatenrunden bei öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem RBB vertreten sein sollte, sind sich die meisten Parteichefs uneinig. Stöß, Wesener und Lederer verweisen darauf, dass die Entscheidung allein beim Fernsehsender und unabhängigen Redaktionen liege. CDU-Chef Henkel hingegen ist da anderer Meinung: „Meine Überzeugung bleibt es, sich mit Protestparteien auseinanderzusetzen und sie inhaltlich zu stellen.“

Dem will sich auch Klaus Lederer nicht entziehen. „Ich jedenfalls habe keine Angst, der AfD nicht Paroli bieten zu können“, sagt der Linkspartei-Vorsitzende. Er habe aber nicht den Eindruck, dass die AfD derzeit in den Medien unterrepräsentiert sei – das Gegenteil sei der Fall. „Umfragewerte könnten allenfalls ein ergänzendes Element, aber keinesfalls alleinige Grundlage für weitreichende Programmentscheidungen sein“, sagt Lederer.

In Rheinland-Pfalz hatte sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD geweigert, sich mit AfD-Vertretern an einen Tisch zu setzen, „mit einer Partei, die ich als eine große Gefahr für unsere Gesellschaft sehe“. In Baden-Württemberg lehnten die Spitzenkandidaten von Grünen und SPD eine Teilnahme an einer zentralen „Elefantenrunde“ beim öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunk erst ab, änderten später aber ihre Meinung.