Zahlenspuk ums Stadtschloss

Der Schlossnachbau wird teurer als geplant und ignoriert Vorgaben des Bundestages, kritisiert der Rat für Stadtentwicklung. Er fordert auch eine längere Zwischennutzung des Palasts der Republik

VON MATTHIAS LOHRE

Während in der Ruine des Palasts der Republik eine Ausstellung zum Thema Tod das Ende des Gebäudes vorwegnimmt, will sich ein ArchitektInnen-Verbund damit nicht abfinden. In einer bislang unveröffentlichten Stellungnahme, die der taz vorliegt, kritisiert der Rat für Stadtentwicklung die bisherigen Schlossplanungen als „ganz und gar fragwürdig“. Der Rat wirft den BefürworterInnen des Nachbaus vor, mit unrealistischen Zahlen und Terminplänen zu hantieren. Bis zu einer „parlamentarischen Prüfung“ der Abrisspläne solle der Palast der Republik weiter zwischengenutzt werden.

Auf drei Seiten kritisiert der Rat, dem VertreterInnen von der Technischer Universität (TU) bis zum Bund deutscher Landschaftsarchitekten angehören, die vor zwei Monaten vorgestellte Machbarkeitsstudie. Sie ist die Grundlage des derzeitigen Fahrplans für den Stadtschlossumbau. Die neben anderen von Kulturstaatsministerin Christina Weiss gepriesene Studie besagt: Nach eineinhalb Jahren Palastabriss kann im Jahr 2007 der Bau eines Gebäudes beginnen, das auf der Grundfläche des alten Hohenzollern-Schlosses stehen soll. Die Kosten von 500 bis 800 Millionen Euro übernehmen neben öffentlichen auch private Investoren. 70 Prozent der 135.000 Quadratmeter Grundfläche nutzt der Bund. Auf den restlichen 30 Prozent soll ein privat finanziertes Luxushotel mit einer Veranstaltungs-Agora und einer Tiefgarage entstehen.

Als „zweifelhaft“ bezeichnet das der Rat für Stadtentwicklung: In der Studie „fehlen die Kosten der gesamten Tiefbaumaßnahmen“, unter anderem für das Abtragen der riesigen Fundamentwanne unter der Palastruine. Weil das neue Gebäude sich streng auf die ehemaligen Schlossmaße beschränken soll, müssten bislang nicht einkalkulierte Untergeschosse für Platz sorgen. Das ziehe weitere Kosten nach sich: Der Tunnel für die so genannte Kanzler-U-Bahn U 5 müsse tiefer als bislang gebaut werden, ebenso der U-Bahnhof unter dem Ufer des Spreekanals.

Stellvertretend für den Rat für Stadtentwicklung rechnet Robert Frank von der Architektenkammer Berlin den Palast-BefürworterInnen vor, woran es bei der Machbarkeitsstudie fehle: Die Kosten für die „Ausstattung und die späteren Außenanlagen“ des Schlossnachbaus sind laut Frank nicht eingerechnet. Souverän übergangen hat die Studie aus seiner Sicht die Empfehlungen einer Internationalen Expertenkommission aus dem Jahr 2002 – obwohl sich der Bundestag diese Empfehlungen damals zu Eigen gemacht habe. Während die vor drei Jahren veranschlagte Bruttogrundfläche von 165.000 auf 135.000 Quadratmeter schrumpfte, seien „die Hauptnutzflächen auf 50.000 Quadratmeter gefallen“. Im Ergebnis heiße das: Die öffentlich nutzbaren Flächen für das geplante Humboldt-Forum werden halbiert.

Dass der Rat für Stadtentwicklung Kritik an den Schlossplänen übt, ist nicht neu. Seit Jahren stemmen sich seine Mitglieder mit Schlachtrufen wie „Restauration ist Resignation“ gegen einen Großbau mit historisierender Fassade. Neu sind jedoch ihre Argumente.

Angesichts unsicherer Baukosten und leerer Bundeskassen erneuern sie ihr Plädoyer für eine längere Zwischennutzung der Palastruine: „In diesem Rohbau kann nach kurzem Ausbau auch ein Humboldt-Forum Platz finden.“

Zweifelhaft ist jedoch, ob ihre Bedenken noch etwas am Bauverlauf ändern können. Schon im Dezember sollen am ehemaligen Palast der Republik die BauarbeiterInnen anrücken. Nach den vielen symbolischen Toden des Gebäudes wäre dies tatsächlich sein Ende.