Flüchtlinge

In Griechenland werden hektisch neue Asylunterkünfte geöffnet. Doch der Ansturm ist zu gewaltig. Das Land steckt in der Klemme

An der Schmerzgrenze

Griechenland Täglich erreichen Tausende über die Ägäis das Land. Nur die wenigsten lässt Mazedonien nach Westeuropa weiterziehen. Jetzt soll die Nato an der Grenze zur Türkei aktiv werden

Alternativroute über Albanien

Bislang gehört Albanien nicht zu den bevorzugten Transitländern der Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Westeuropa. Seit der mazedonischen Grenzschließung wartet allerdings eine „große Zahl“ von Flüchtlingen darauf, die Grenze zu überqueren, so die albanische Ministerin für europäische Integration, Klajda Gjosha. Nach griechischen Medienspekulationen sollen etwa 4.000 afghanische Flüchtlinge planen, nach Albanien einzureisen. Die Polizei hat daher ihr Personal rings um die zwei wichtigsten Grenzübergänge, Kakavia-Ktismata und Kapshtice-Krystallopigi, aufgestockt. Albaniens Premierminister Edi Rama sagte, es gebe keinen Grund, die Grenzen zu öffnen. Albanien habe nicht die Kraft, die Welt zu retten, während andere die Grenzen schließen. Erik Peter

Grenze wird zum Nadelöhr

An der griechisch-mazedonischen Grenze warteten am Dienstag mehr als 7.000 Migranten auf die Weiterreise. Der Grenzübergang Idomeni war seit fast 24 Stunden geschlossen, nachdem Flüchtlinge am Montag versucht hatten, sich gewaltsam einen Weg Richtung Westeuropa zu bahnen. Dabei waren sie am Montag von Grenzschützern mit Blendgranaten und Tränengas gestoppt worden. Das offizielle Flüchtlingslager bei Idomeni ist mittlerweile überfüllt. Am Dienstag standen Hunderte kleiner Zelte auf freiem Feld nahebei. Manche Flüchtlinge warten seit mehr als einer Woche auf die Weiterreise auf der sogenannten Balkanroute. Mazedonien lässt pro Tag nur noch einige Hundert Flüchtlinge einreisen. Nur Syrer und Iraker mit gültigen Papieren dürfen die Grenze überschreiten, Angehörige aller anderen Nationen werden abgewiesen. Die EU-Kommission in Brüssel äußerte sich äußerst besorgt über die Lage an der Grenze. ap/taz

Sofia baut einen Zaun

Im Februar beschloss das bulgarische Parlament, den Einsatz seiner Streitkräfte zum Schutz der Grenzen vor Flüchtlingen zu erlauben. Im Fokus steht dabei die Grenze zur Türkei. Hier wird seit 2014 ein insgesamt 160 Kilometer langer Grenzzaun errichtet, nun sollen 500 Soldaten die Grenzpolizei unterstützen. Die Grenze zu Griechenland wurde dagegen wochenlang von streikenden griechischen Bauern blockiert. Erst am Montag beendeten diese ihren Protest gegen eine Rentenreform. Bulgarien befürchtet einen größeren Migrantenzustrom, wenn die Seegrenze zwischen Türkei und Griechenland schärfer kontrolliert werden sollte. Erik Peter

Nato-Einsatz in der Ägäis

Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind im Jahr 2016 bisher etwa 123.000 Flüchtlinge aus der Türkei über das Mittelmeer nach Griechenland gekommen. 410 Menschen hätten ihr Leben verloren, teilte das UNHCR am Dienstag mit. Die griechische Küstenwache und die Patrouillen der europäischen Grenzagentur Frontex konnten in den letzten acht Tagen mehr als 8.000 Flüchtlinge aus den Fluten retten. Die Zahl derjenigen, die sich übers Meer wagen, hängt auch von den Wetterverhältnissen ab.

Demnächst soll ein Nato-Einsatz die Zahl der Flüchtlinge verringern. Der dazu entsandte Schiffsverband kreuzt derzeit noch außerhalb der Hoheitsgewässer der Türkei und Griechenlands. Es fänden noch „letzte Ausplanungen“ statt, bis die Mission „finalisiert beginnen“ könne, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Wie es heißt, gibt es noch keine endgültigen Absprachen mit Griechenland und der Türkei, welche nationalen Gewässer der beiden Länder die Kriegsschiffe befahren dürfen. Laut Beschluss des Nato-Rates sollen die Nato-Schiffe keine Boote stoppen. Danach besteht der Auftrag darin, Schleuserbewegungen zu beobachten, auszuwerten und zu melden. Nur wenn Flüchtlinge von der türkischen Küstenwache aufgegriffen werden, werden sie in die Türkei zurückgebracht. Falls die griechische Küstenwache oder Frontex sie aufnimmt, kommen sie nach Griechenland. Noch ungeklärt ist die Frage, ob Flüchtlinge, die im griechischen Hoheitsgebiet von einem Nato-Schiff aus Seenot gerettet werden, in die Türkei zurückgebracht werden können. Allerdings ist die Seenotrettung ohnehin „nicht ausdrücklich Teil des militärischen Auftrages“, wenn sie auch „weiterhin die ständige Pflicht eines jeden Seefahrers“ bleibe. PAB

Die Camps sind überfüllt

Etwa 24.000 Flüchtlinge stauen sich derzeit in ganz Griechenland, und täglich werden es mehr. Die Kapazitäten des Landes sind schon jetzt weitgehend erschöpft – die Camps sind überfüllt. Hunderte Flüchtlinge müssen seit Tagen im Hafen und auf öffentlichen Plätzen in Athen ausharren. Es gebe kaum Information, sagen die HelferInnen am Hafen von Piräus, wo die Schiffe von den ägäischen Inseln das Festland erreichen. Man wisse nicht, wann Busse kommen, um die Menschen in die Auffanglager in Athen oder in den Norden Griechenlands zu bringen. Nahrung, Getränke und Kleidung werden täglich von zahlreichen Menschen aus der Bevölkerung vorbeigebracht. Viele Flüchtlinge begeben sich auf eigene Faust in Richtung mazedonische Grenze – zu Fuß oder mit Fahrzeugen. Im Norden Griechenlands sind weitere Auffanglager für über 20.000 Flüchtlinge im Aufbau, die innerhalb der nächsten Woche fertiggestellt werden sollen. Auch ein weiteres Camp in Athen wird gebaut. Die griechische Regierung geht davon aus, dass in den kommenden Tagen mehr als 100.000 Migranten in Griechenland festsitzen werden. Derzeit werden möglichst wenige Flüchtlinge nach Piräus gebracht. Die Menschen sollen vorläufig auf den ägäischen Inseln ausharren.

Am Dienstag gab die Regierungssprecherin Olga Gerovasili bekannt, dass die Regierung ein EU-Hilfspaket in Höhe von 470 Millionen Euro beantragt habe. Mit diesem EU-Hilfspaket sollen etwa 50.000 Menschen in Camps und weitere 50.000 Menschen in einfachen Hotels untergebracht werden können. Außerdem würden etwa 8.200 Polizisten und zivile Mitarbeiter gebraucht, um die Flüchtlinge zu registrieren. Weiteres Personal solle für die Sicherheit, die Verpflegung und die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge hinzugezogen werden.

Am Freitag wird das griechische Kabinett darüber beraten, welche Position Griechenland beim EU-Türkei-Gipfel in Brüssel am 7. März beziehen wird und wie es mit der Flüchtlingskrise weitergehen soll. Ministerpräsident Alexis Tsipras machte schon jetzt deutlich, dass man keinem EU-Beschluss zustimmen werde, der nicht eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten vorsehe. Theodora Mavropoulos