Portrait
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Polarisiert: Friedrich-Joachim Mehmel  Foto: hamburg.de

Ein politischer Richter

Endlich kommt er ans Ziel seiner Träume. Wenn SPD und Grüne und vielleicht auch ein paar Linke und Liberale in der Bürgerschaft ihn am heutigen Mittwoch wählen, woran niemand zweifelt, wird Friedrich-Joachim Mehmel Hamburgs oberster Richter. Als Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichts darf der 63-Jährige künftig über Rechtsstreitigkeiten mit politischer Brisanz befinden – als Erstes über die jüngst eingereichte Klage der AfD. Die wehrt sich gegen ihre vermeintliche Unterdrückung, weil die anderen Fraktionen der Bürgerschaft rechtspopulistische Abgeordnete partout nicht in die parlamentarische Härtefallkommission wählen, die als letzte Instanz bei drohenden Abschiebungen Gnade vor Asylrecht ergehen lassen kann.

Hochpolitisch mithin wird Mehmels neue Aufgabe sein, und das wird dem aktuellen Präsidenten des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts gefallen. Nicht aber seinen Kritikern, die dem Sozialdemokraten ebendiesen Karrieresprung 2012 schon mal vermiesten. Denn Mehmel gilt zwar als kompetenter Verwaltungsrechtler, aber er war 22 Jahre lang bis 2011 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen in Hamburg, Mitglied im SPD-Landesvorstand und bei der Bürgerschaftswahl 2004 der SPD-Kandidat für den Posten des Justizsenators. Zu viel Partei, finden die einen, vor allem zu viel SPD, kritisieren die anderen, und erst recht zu viel roter Filz, argwöhnen manche.

Allerdings haben die SPD-Juristen unter Mehmels Leitung versucht, die Justiz aus dem Elfenbeinturm herauszuholen. Die überlangen Strafverfahren hat sie thematisiert, die Bedeutung des pädagogischen Gedankens im Jugendstrafrecht betont und die Mitverantwortung der Justiz für die innere Sicherheit debattiert – Diskussionen, die nicht allen schmeckten.

Indes wird Mehmel immer noch in Verbindung gebracht mit dem ungeklärten Stimmenklau beim Mitgliederentscheid über den SPD-Bürgermeisterkandidaten im Februar 2007. Knapp 1.000 Stimmzettel waren aus der Wahlurne verschwunden, und Mehmel als Vorsitzender der Zählkommission war es, der nach dramatischer Nachtsitzung die Auszählung abbrach und dies am frühen Morgen mit versteinerter Miene den schlagartig wieder hellwachen Journalisten verkündete.

Natürlich konnte Mehmel nichts dafür, aber seine Widersacher sehen darin bis heute einen Beleg für seine vermeintlich zu große SPD-Nähe. Der Mann polarisiert eben, und das ist nicht das Beste für den Posten, den Mehmel heute bekommt.

Sven-Michael Veit