Flucht

Kühle Köpfe sind nötig – nicht nur bei Auftritten im deutschen Fernsehen. Stattdessen wird jetzt vielerorts in Europa gezündelt

Die schiere Überforderung

Griechenland Brandanschläge auf geplante Auffanglager, Kinder und Eltern schlafen unter freiem Himmel, Tränengas wird gegen Flüchtlingsfamilien eingesetzt – die Lage im Land wird immer chaotischer

Die Bilder, vor denen gewarnt wurde: Verzweifelte Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze flüchten vor Tränengas Foto: Petros Giannakouris/ap

Aus AthenTheodora Mavropoulos

Hohe Flammen stiegen aus den Gebäuden auf, in denen 4.000 Menschen demnächst eine vorläufige Unterkunft erhalten sollten. Auf zwei der zukünftigen Lager für Flüchtlinge – leer stehende Hallen in der Kleinstadt Giannitsa, die früher das griechischen Militär genutzt hatte – wurden am Wochenende Brandanschläge verübt.

Das erste Gebäude ging am Samstagabend in Flammen auf. Die zweite potenzielle Flüchtlingsunterkunft wurde am frühen Sonntagmorgen von Unbekannten in Brand gesteckt. Letzteres wurde dabei fast vollkommen zerstört.

In Griechenland stauen sich derweil immer mehr Flüchtlinge. Am Viktoria-Platz im Zentrum Athens und auch am Hafen von Piräus verbringen seit mehreren Tagen Hunderte die Nächte im Freien – darunter auch zahlreiche Familien mit kleinen Kindern.

Über das Wochenende wurden die Überfahrten von den Inseln, auf denen die Flüchtlinge ankommen, etwas reduziert, um den Rückstau, der sich auf dem Festland bildet, abzufangen. Doch bereits am Montagmorgen seien wieder gut 1.800 Migranten in Piräus angekommen, teilte die Hafenverwaltung mit. HelferInnen vor Ort bringen Nahrungsmittel und Getränke, doch die Lage wird zunehmend chaotisch.

Flüchtlinge in Piräus lehnten gestern aufgebracht Wasserspenden ab. „Wir sind nicht gekommen, um Wasser zu trinken und zu essen“, rufen die jungen Männer. Sie wollten endlich weiterreisen dürfen.

Alle Beteiligten – Flüchtlinge, Einheimische, Helfende – sind mit dem nicht abreißenden Flüchtlingsstrom überfordert. Die Kapazitäten im Lande reichen längst nicht mehr. Immer mehr Flüchtlinge stauen sich im Land, da die Balkanländer nach wie vor ihre Grenzen für diejenigen verschlossen halten, die nicht aus Syrien oder dem Irak stammen.

Doch auch von diesen werden nur wenige über die Grenze gelassen. Vor zwei Wochen durften noch etwa 2.000 Personen täglich passieren. Aktuell lassen die Grenzer nur etwa 300 täglich ins Land. Am Grenzübergang zwischen Griechenland und Mazedonien harren nach Schätzungen mittlerweile gut 7.000 Flüchtlinge aus.

Viele von ihnen haben am Montag versucht, den Grenzzaun zu stürmen. Die mazedonische Grenzpolizei setzte Tränengas gegen sie ein. Dabei wurden mehrere Menschen leicht verletzt, unter ihnen auch Kinder.

Derweil sind weitere Tausende Migranten in Richtung mazedonische Grenze unterwegs, berichten griechische Medien – sowohl mit verschiedenen Verkehrsmitteln als auch zu Fuß. Sie hoffen, doch noch einen Weg zu finden und ihre Route nach Mitteleuropa fortsetzen zu können.

Den griechischen Behörden zufolge durften am frühen Montagmorgen wieder nur 305 Flüchtlinge die Grenze nach Mazedonien passieren. Um etwa vier Uhr morgens wurde der Übergang dann wieder komplett geschlossen.

Derzeit hielten sich aufgrund der geschlossenen Grenze um die 22.000 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland auf, sagte der Minister für Migrationsangelegenheiten Ioannis Mouzalas am Sonntag im Fernsehen. Andere Quellen sprechen bereits von 25.000 Flüchtlingen. Die Regierung in Athen geht laut Mouzalas davon aus, dass im März zwischen 50.000 und 70.000 Menschen in Griechenland festsitzen werden.

Weitere Auffanglager sind in Arbeit. Eines soll in Athen entstehen, fünf weitere im Norden des Landes nahe der mazedonischen Grenze. Sie sollten in den nächsten zehn Tagen fertiggestellt werden.