Ständig steigende Fluggast- zahlen sind einfach die Hölle

Lüfte BUND will mit seinem Luftverkehrskonzept zukunftsfähiges und umweltverträgliches Fliegen

Viele Pankower und Spandauer sehnen seit Jahren das Ende von Tegel herbei

Dass Berlin „brummt“, ist eine gern genutzte Metapher, und beim Luftverkehr trifft sie in jeder Hinsicht zu: Auch ohne den Pannenairport BER werden die beiden Berliner Flughäfen dieses Jahr wohl die Marke von 30 Millionen Fluggästen knacken. Viele Weddinger, Reinickendorfer, Pankower und Spandauer sehnen seit Jahren das Ende von Tegel herbei, während im südlichen Speckgürtel die Maßnahmen des passiven Lärmschutzes nur schleppend vorankommen. Aber die Politik schmückt sich mit dem steten Wachstum, als dessen Korrelat das Geld gesehen wird, das Fluggäste in der Stadt lassen.

„Viele betonen immer, es sei toll für Berlin, wenn die Fluggastzahlen explodieren. Wir teilen diese Auffassung nicht“, sagt dagegen Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Organisation hat am Montag ein eigenes „Luftverkehrskonzept Berlin und Brandenburg“ vorgelegt, mit dem die Fliegerei „zukunftsfähig und umweltverträglich“ gestaltet werden soll.

Denn der Luftverkehrsboom konterkariert dramatisch die Klimaziele, die das Land Berlin sich selbst gesetzt hat – bis 2050 soll „Klimaneutralität“ erreicht werden. Schon 2012 machten die durchs Fliegen verursachten CO2-Emissionen rund 40 Prozent aller Berliner Verkehrs­emissionen aus, der BUND rechnet mit einem Anstieg bis 2050 auf mindestens 60 Prozent. Trotzdem ist dem Thema in dem Entwurf für ein Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK), der im Dezember vorgelegt wurde, nur ein anderthalbseitiger „Exkurs“ im Verkehrskapitel gewidmet.

Werner Reh, Leiter Verkehrspolitik im BUND-Bundesverband, begrüßt dennoch, dass die Politik das Thema überhaupt wahrnimmt. Unter anderem heißt es im BEK-Entwurf, Berlin werde sich als Flughafengesellschafter für emissionsabhängige Start- nd-Lande-Gebühren einsetzen – zurzeit werden in Tegel und Schönefeld nur lärmbezogene Start-und-Lande-Entgelte erhoben. Auch werde sich Berlin für eine europaweit einheitliche Kerosinbesteuerung einsetzen. Schön und gut, so Reh am Montag in der BUND-Landesgeschäftsstelle in der Schöneberger Crellestraße, aber „es müssen endlich konkrete Maßnahmen folgen“.

„Absurd“, so Tilmann Heuser, sei, dass „noch vor Eröffnung des BER der Bau einer dritten Bahn und ein Ausbau der Kapazitäten gefordert“ werde. „Eine Politik des ungehemmten Ausbaus des Luftverkehrs ist weder klima- und umweltpolitisch noch ökonomisch sinnvoll.“ Heuser verwies am Montag darauf, dass die Strategie, viele Billigflieger nach Berlin zu lenken, nicht sinnvoll sei: „Dass machen doch alle.“ Zudem schaffe es vergleichsweise wenige Arbeitsplätze und fördere Lohndumping.

Außer der zusätzlichen Klimaabgabe für jede Flugbewegung, die die „externen Kosten“ für Klimaschäden einpreise, fordert der BUND die konsequente Anwendung eines Nachtflugverbots und eine verbesserte Staffelung der Start-und-Land-Entgelte nach Lärmklasse. Laut Günter Treudt, Luftverkehrsexperte des BUND Berlin, könne sich die hiesige Flughafengesellschaft an den „vorbildlichen Regelungen des Frankfurter Flughafens“ orientieren: Dort sind die Lärmentgelte in 1-Dezibel-Schritten gestaffelt, in Tegel und Schönefeld sind die Klassen dagegen sehr grob gefasst und für die Fluglinien unterm Strich deutlich günstiger. Trudt wies darauf hin, dass in Frankfurt sogar über eine Lärmobergrenze diskutiert werde. Eine solche brauche man auch in Berlin – um sicherzustellen, dass der Lärm trotz technischen Fortschritts (sprich: leisere Turbinen) nicht weiter zunehme, weil immer mehr Flugbewegungen stattfänden. Alles andere als eine konsequente Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr sei zudem abzulehnen.

Eine Alternative sieht der BUND in schnellen Bahnverbindungen, zumindest wenn die Fahrt nicht länger als vier Stunden dauert. Laut Reh ist das die Grenze der Akzeptanz, wenn es darum geht, einen Ort etwa zu Arbeitszwecken in den Tagesrandzeiten zu erreichen und wieder zurückzukehren. „30.000 bis 55.000 Flüge vom BER“ könnten pro Jahr überflüssig werden, wenn man die ­Bahnverbindungen entsprechend fördere. Unter anderem könnten Sprinter-ICEs das weiterhin rege Beamtenpendeln zwischen Berlin und Bonn nachhaltiger machen. ­Claudius Prößer