Erfolg gegen Islamisten

LIBYEN Der Kampf gegen den erstarkenden sogenannten Islamischen Staat überschattet die politischen Rivalitäten. IS wird aus der größten ostlibyschen Stadt Bengasi verdrängt

Kämpfer in Bengasi feiern ihren Sieg über Islamisten Foto: Abdullah Doma/afp

Von Mirco Keilberth

TUNIS taz | In langen Autokolonnen sind am Mittwoch Einwohner Bengasis in ihre Stadt im Osten Libyens zurückgekehrt – selbst in die stark zerstörte Innenstadt. Die Stimmung war euphorisch, denn zuvor hatten anti­islamistische Militäreinheiten die Stadtteile Leithi und Sabri zurückerobert, die bislang von Islamisten kontrolliert wurden. 15 Monate lang hatte eine Koalition von Saiqa-Spezialeinheiten, Stadtteilmilizen und der 1.000 Mann starken Brigade des in Ostlibyen starken Generals Kha­lifa Hafter zuvor die dem „Islamischen Staat“ (IS) nahestehenden, frisch aus Syrien eingereisten Dschihadisten in Bengasi bekämpft, angeblich unterstützt von französischen Spezialkräften.

Von in Tunesien evakuierten Diplomaten wurde dieser Etappensieg gegen die Islamisten reserviert zur Kenntnis genommen. Es könnte damit nämlich die notwendige Zustimmung des international anerkannten libyschen Parlaments, das ebenfalls im Osten des Landes sitzt, zur von der UNO ausgehandelten Einheitsregierung schwieriger werden.

Denn die in der Hauptstadt Tripolis amtierende, nicht anerkannte Regierung lieferte Waffen an die Islamisten in Bengasi, um General Hafter von einem Vorrücken abzuhalten. Die wechselseitigen Vorbehalte zwischen Libyens rivalisierenden Machtzentren in Tobruk (Ostlibyen) und Tripolis (Westlibyen) sind nach wie vor groß – und mit dieser Rivalität erstarkt der IS, der sich aus Sirte an der Mittelmeerküste Zentrallibyens heraus ausbreitet.

„Beide Bürgerkriegsparteien haben den in dem Machtvakuum gestärkten IS benutzt, um die Gegenseite zu schwächen. Dabei haben sie nicht bemerkt, dass dessen Strategen mit Geld und geschicktem Marketing immer mehr perspektivlose junge Leute für sich gewinnen“, sagt Abosaom Alafi, ein Aktivist aus der Stadt Sebha im Süden des Landes.

Viele Libyer bezweifeln, dass die geplante Einheitsregierung unter Premierminister Fayez Serraj die verhärteten Fronten einen kann. Einige Milizenführer in Tripolis haben bereits angekündigt, die „von den Vereinten Nationen aufgezwungene Regierung“ zu bekämpfen. Hafters Anhänger wiederum verhinderten mehrmals die Parlamentsabstimmung über Serrajs Kabinett.

Im Osten sind die Vorbehalte gegenüber Tripolis nach wie vor groß

Die jüngsten schockierenden Gräueltaten des IS könnten eher eine Wende bringen. In der Stadt Sabratha westlich von Tripolis enthaupteten die Dschihadisten zwölf Polizisten, und in ihrer Hochburg Sirte steinigten sie Gegner. Zuvor hatten die Dschihadisten am Dienstag kurzzeitig die Kontrolle über das Stadtzentrum von Sabratha übernommen. Als Reaktion darauf mobilisierten miteinander verfeindete Stadtmilizen aus den nahe gelegenen Städten Sintan und Suwara ihre Kämpfer und boten den Bürgern Sabrathas an, ihnen zu Hilfe zu kommen. Schon am nächsten Morgen waren die IS Kämpfer aus dem Stadtbild Sabrathas verschwunden.

Islamisten, die früher der al-Qaida nahestanden, hatten die Trainingscamps des IS in Sa­bratha, die vergangenen Freitag von der US-Luftwaffe bombardiert wurden, lange Zeit unterstützt. Die UNO will diese Milizen künftig für die Sicherheit in der Hauptstadt Tripolis einsetzen. Sie erklären sich jetzt zu IS-Gegnern, wohl auch, um nicht zum Ziel der US-Luftwaffe zu werden.

„Die Grenzen zwischen den Islamisten von Ansar Scharia, den Moderaten bis hin zum IS sind nicht so scharf, wie es sich einige westliche Diplomaten wünschen“, sagt Mohamed Enchiri, ein libyscher Analyst.