heute in hamburg
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"Die Regeln verändern"

Diskussion Entfremdet sich das Hamburger Parlament von seinen WählerInnen?

Manfred Brandt

75, ist Gründungsmitglied des Vereins „Mehr Demokratie“. Er hat die Volksgesetzgebung mit durchgesetzt.

taz: Herr Brandt, warum nehmen die Hamburger ihr Parlament nicht ernst?

Manfred Brandt:In den Hansestädten haben schwache Parlamente und starke Regierungen Tradition. In anderen Ländern wird mit den Haushaltsberatungen über die Leistungen der Regierung gestritten. Hier nickt das Parlament den Haushaltsplan des Senats ab.

Nehmen Sie das Parlament ernst?

Ja, unser Problem ist ja eine Krise der Parteien und damit auch der parlamentarischen Demokratie. Seit 30 Jahren sinken das Vertrauen in die Parteien und deren Mitgliederzahlen. Programme sind nicht mehr ausschlaggebend, sondern überzeugende Persönlichkeiten.

Was hat die Einführung der Wahlkreise verändert?

Das neue Wahlrecht ist bei den WählerInnen angekommen, aber nicht bei den Parteien. Sie haben noch nicht akzeptiert, dass die Entscheidung, wer in das Parlament einzieht, nicht mehr bei den Machteliten in den Parteien allein liegt, sondern auch beim Volk.

Wie sieht der ideale Volksvertreter aus?

Er muss dem Volk aufs Maul schauen, dieselbe Sprache sprechen und Überzeugungskraft haben. Effekthascherei bringt niemanden weit. Am erfolgreichsten sind diejenigen, die für ihre Überzeugung einstehen. Das merkt man.

Warum sind Sie in einem Verein und nicht mehr in einer Partei?

Ich möchte die Regeln für das Wählen ändern und einfacher für die Bürger machen. Das geht nur überparteilich. Das neue Wahlrecht ändert die Machtstrukturen in den Parteien, deswegen gibt es den großen Widerstand in den Parteien. Mit der direkten Demokratie wurden Wahlrechtsänderungen möglich.

Wofür ist direkte Demokratie gut?

Sie hilft, wenn das Parlament an der Bevölkerung vorbei-regiert. Wenn ich etwas entscheiden kann, interessiere ich mich auch dafür und fühle mich verantwortlich.

Schwächt das das Parlament?

Nein, im Idealfall ergänzen sich parlamentarische und direkte Demokratie. Es kommt auf die Qualität der Verfahren an. Referenden, also Volksabstimmungen von oben, schwächen oft Parlamente. Die Olympia-Abstimmung hat das gezeigt.

Interview: Leonie Habisch

Diskussion „Bürgerschaft und Volkes Stimme“: 19 Uhr, Körber-Forum, Kehrwieder 12