Deutschland fliegt Afghanen zurück

Rückkehrer 120 Afghanen sind gestern freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie sind ein Signal

Der Streit: Österreich streitet mit Deutschland über die Obergrenzen Wiens für Flüchtlinge.

Die Kritik: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte zusätzliche Lasten für Deutschland beklagt und Konsequenzen angedroht, weil das Nachbarland bis zu 3.200 Migranten täglich die Durchreise nach Deutschland erlaubt.

Die Reaktion: Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte, Deutschland möge doch selbst eine ihm genehme Zahl von Flüchtlingen nennen. „Da hat Deutschland zu entscheiden, welche Zahl gilt.“ Er halte es für eine „unsinnige Position“, die Durchreise der Flüchtlinge auf der Balkanroute nicht zu kritisieren, Österreich aber ein „Durchwinken“ vorzuwerfen, sagte Faymann. (dpa, taz)

BERLIN taz | 120 Afghanen sind das Signal, auf das Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gehofft hat. Sie hatten sich gemeldet, weil sie zurück nach Afghanistan wollten. Gestern wurden sie ausgeflogen. „Freiwillig“, heißt es von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die im Auftrag der Regierung solche Rückführungen organisiert, für Menschen, die „aus eigenen Mitteln nicht zurück kehren können“. Sie bezahlen den Flug der Rückkehrer und einige hundert Euro als Start­finanzierung vor Ort.

Es sind nicht die ersten Afghanen, die über dieses Programm zurückkehren. Aber sie senden eine Botschaft – die des Innenministers. Der hatte vor einigen Wochen gesagt, dass es trotz der angespannten Sicherheitslage auch in Afghanistan „sichere Gebiete“ gäbe. Er wirbt dafür, abgelehnte Asylbewerber künftig auch nach Afghanistan abzuschieben. Weil es ihm bisher nicht gelungen ist, mit der afghanischen Regierung ein Rücknahmeabkommen für Abschiebungen auszuhandeln, setzt er auf freiwillige Rückkehrer.

Die nun Ausgereisten landen in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Medien melden, dass es dort nach vier Wochen Unterbrechung endlich wieder Strom gebe. Dass die Regierung sich dort um Friedensverhandlungen mit den Taliban bemühe. Den Taliban, die erst am Sonntag ein Selbstmordattentat verübt hatten, bei dem 13 Menschen starben.

Die Rückkehrer erwartet auch eine neue Kampagne des Auswärtiges Amts: Das lässt seit Sonntag Videos im Fernsehen und im Internet ausstrahlen, die das Land zur Heimat stilisieren. Ein Mädchen im gelben Strickpullover sagt beispielsweise in einem Spot, dass sie die Zukunft Afghanistans sei, eine junge Frau, dass sie Journalistin werden will, ein junger Mann Ingenieur. Am Ende erscheint die Botschaft: „Bleib, damit Afghanistan überlebt.“ Die Bundesregierung will Afghanen davon abhalten, nach Europa aufzubrechen. Im vergangenen Jahr hatten rund 150.000 Afghanen Asyl in Deutschland beantragt. Nach syrischen und irakischen Geflüchteten sind sie die drittgrößte Gruppe Geflüchteter.

Ihre Chance auf einen Aufenthaltsstatus in Deutschland gilt aber als schlecht, da ihre „Schutzquote“ knapp unter 50 Prozent liegt, weniger als die Hälfte aller Anträge also angenommen werden. Jedoch heißt das nicht, dass die Mehrheit der Anträge abgelehnt wird – in die Berechnung der Quote fließen beispielsweise auch Anträge ein, über die in anderen EU-Staaten entschieden wird. 2015 wurden nur 800 Anträge abgelehnt.

Christina Schmidt