Das konservative Lager ist sich über Rohani uneins

IRAN Die Islamische Republik wählt ein neues Parlament und einen neuen Expertenrat

"Nicht zu wählen bedeutet, Hardliner zu wählen"

Massumeh Ebtekar

VON Bahman Nirumand

BERLIN taz | „Diese Wahlen sind schicksalshaft“, mahnt Präsident Hassan Rohani. Am Freitag wählen die Iraner ein neues Parlament und zugleich einen neuen Expertenrat. In der Tat geht es dabei um den politischen Kurs der nächsten Jahre und um die Frage, ob der islamische Staat einen Wandel in Richtung Liberalisierung akzeptiert oder alles so bleibt, wie es ist.

Im Grunde sind Wahlen im Iran eine Farce. Denn bevor die Wähler an die Urnen schreiten, trifft der zwölf Mitglieder zählende Wächterrat, der fast ausschließlich aus Ultrakonservativen besteht, eine Vorwahl. Er bestimmt, wer als Kandidat geeignet ist. Nun hat der Rat von seinem umstrittenen Recht gründlich Gebrauch gemacht. Von den mehr als 12.000 Bewerbern für das Parlament wurden 6.229 zugelassen. Die meisten Abgelehnten gehören der Fraktion der Reformer an. Nach deren Angaben wurden von ihren 3.000 Kandidaten nur 30 zugelassen.

Zur Wahl des aus 86 Geistlichen bestehenden Expertenrats dürfen von den 800 Bewerbern 161 antreten. Der Rat wird alle acht Jahre gewählt. Er ist zuständig für die Wahl beziehungsweise Abwahl des Revolutionsführers. Außerdem muss er dessen Aktivitäten beaufsichtigen. Dem Rat kommt in der nächsten Wahlperiode eine wichtige Rolle zu. Der 77-jährige Revolutionsführer Ali Chamenei wird aufgrund seines angeblich schlechten Gesundheitszustands die nächsten acht Jahre vermutlich nicht überleben.

Die Vorwahl des Wächterrats erübrigt jede Spekulation über die Zusammensetzung des neuen Expertenrats. Die Erzkonservativen werden die absolute Mehrheit erringen. Denn in vielen Wahlbezirken wurde nur ein Kandidat der Hardliner zugelassen. Einzige Ausnahme bildet die Hauptstadt Teheran, wo neben Ultrakonservativen auch drei Kandidaten antreten, die als „gemäßigt“ gelten: Präsident Rohani, Expräsident Haschemi Rafsandschani und der frühere Informationsminister Mahmud Alawi. Sie werden wohl im künftigen Expertenrat eine Minderheit stellen.

Anders als die Zusammensetzung des Expertenrats ist die des Parlaments ungewiss. Zwar sind Reformer und Gemäßigte gründlich ausgesiebt worden. Hinzu kommt eine seit Monaten andauernde Kampagne gegen die Reformer in den Medien. Auch Revolutionsführer Ali Chamenei wird nicht müde, vor der Einflussnahme „ausländischer Feinde“ zu warnen. Diese seien bemüht, ihre einheimischen Agenten ins Parlament einzuschleusen, sagte er. Mit den Agenten sind jene gemeint, die Reformen und Öffnung nach innen und außen fordern. Wahlveranstaltungen der Reformer wurden massiv gestört. Einige Kandidaten beklagten, dass ihre Plakate und Transparente eingesammelt und Mitarbeiter festgenommen worden seien.

Allerdings ist die Popularität der Regierung Rohani, vor allem nach dem Atomabkommen, in der Bevölkerung enorm gestiegen. Wären die Wahlen frei, würden Reformer und Gemäßigte wohl die absolute Mehrheit im Parlament erringen.

Doch trotz aller manipulativen Maßnahmen hat sich etwas ereignet, das bei der Wahl zugunsten der Gemäßigten und Reformer ausschlaggebend sein könnte: Die Konservativen, die seit drei Wahlperioden unter der Bezeichnung „Prinzipientreue“ die stärkste Fraktion bildeten, haben sich gespalten. Die „Moderaten“ unter ihnen, die eine Öffnung nach innen ablehnen, aber die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung unterstützen, wollen für Rohani und seine Anhänger stimmen. Einflussreiche Politiker gehören dieser Gruppe an. Der Erfolg dieses neuen ungeschriebenen Bündnisses hängt aber nicht zuletzt von der Wahlbeteiligung ab. „Nicht zu wählen bedeutet, Hardliner wählen“, sagte Vizepräsidentin Massumeh Ebtekar.