Rechte rufen nach Revolution

UkRaine Beim zweiten Jahrestag auf dem Maidan in der Hauptstadt Kiew übernehmen die „Radikalen rechten Kräfte“ Kommando und Gedenken. Die Regierung reagiert hilflos

Kämpfer der „Radikalen Rechten“ wirft einen Stein gegen die russische Sberbank in Kiew Foto: F.: Sergey Dolzhenko/dpa

Aus Kiew Bernhard Clasen

Auf dem zentralen Maidan-Platz in Kiew haben rund 100 nationalistische Demonstranten am Sonntag ihre Zelte aufgebaut. Sie fordern den Rücktritt der Regierung und eine neue Revolution. Rund 200 regierungskritische Demonstranten schlossen sich ihnen an. Andere kamen am Sonntag mit Blumen und Kerzen auf den Maidan, um der dort im Zuge der Proteste gegen die prowestliche Regierung Erschossenen zu gedenken.

Allein am 20. Februar 2014 waren dort mehr als 50 Menschen von Scharfschützen getötet worden, kurz darauf floh der damalige prorussische Präsident Wiktor Janukowitsch außer Landes. Bereits am Samstag kamen Zehntausende in Kiew zu verschiedenen Gedenkveranstaltungen zum „Tag der himmlischen Hundert“ zusammen. Diese Bezeichnung bezieht sich auf diejenigen, die in den Protestmonaten in Kiew starben, bevor Janukowitsch floh.

In der Nacht zum Sonntag besetzten 50 Personen in Kampf­uniform, die sich als Stab der „Radikalen Rechten Kräfte“ vorstellten, das auf dem Maidan gelegene Hotel Kasazkij. Sofort nach der Besetzung kontrollierten sie die Ausgänge des Hotels, ließen nur noch Hotelgäste in das Kasazkij. Am frühen Sonntagmorgen hatte der stellvertretende ukrainische Verteidigungsminister Alexander Dubljan das Hotel zu Verhandlungen mit den Besetzern aufgesucht. Kommentarlos verließ er wenige Stunden später das Hotel wieder. Unterdessen rief der Stab der „Rechten Kräfte“ zu einer Demonstration auf dem Maidan am späten Sonntag auf. Beobachter gehen davon aus, dass noch am Sonntagabend der „3. Maidan“ ausgerufen wird.

Die „Radikalen Rechten Kräfte“ verstehen sich als Dachorganisation rechter Gruppen. Bisher haben sich „Rechter Sektor“, das Freiwilligenbataillon „Aidar“ und weitere kleinere rechte Gruppierungen diesem Bündnis angeschlossen. Neben einem Rücktritt von Präsident Poroschenko und der Regierung von Arsenij Jazenjuk fordern die „Radikalen Rechten Kräfte“ einen sofortigen Abbruch der Minsker Friedensgespräche, die Freilassung von politischen Gefangenen und ein Verbot für weitere Kredite von internationalen Organisationen an die Ukraine.

Die Regierung, so scheint es, stellt sich, wenn auch etwas halbherzig, der neuen Auseinandersetzung gegen die Protestierer auf dem Maidan. Als Erster äußerte sich offiziell Anton Geraschtschenko, Abgeordneter der „Volksfront“ und Berater von Innenminister Arsen Awakow. „Die ganze Welt wurde Zeuge der barbarischen Verwüstung der Alfa-Bank. 20 bis 30 Sekunden hat man die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Maidan gezeigt und dann anderthalb Minuten die Verwüstung der Bank“, empört sich Geraschtschenko. In der Welt, so Geraschtschenko, müsse nun der Eindruck entstehen, als lebten in der Ukrai­ne Barbaren.

Auch in anderen Städten der Ukraine kam es am zweiten Jahrestag des Maidan zu Konflikten. In Odessa musste der Vorsitzende des Bezirksrates, Anatolij Urbanskij, seine Rede zur Einweihung eines Maidan-Denkmals kurz nach Beginn abbrechen. Entweder er solle auf Ukrainisch sprechen oder abtreten, riefen ihm Nationalisten zu. Auch ein Parteifreund von Urbanskij wurde vom Mikrofon gedrängt, als er versuchte, auf Russisch zu den Versammelten zu sprechen. Im ostukrainischen Zaporoschje forderten Hunderte den Erhalt eines Lenin-Denkmals.