Nur für Flüchtlinge

INTEGRATION Für die Kinder auf dem Tempelhofer Feld fehlen Schulplätze. Nun wird eine Notunterkunft zur Flüchtlingsschule

Wollen in die Schule: Flüchtlingskinder in den Hangars auf dem Tempelhofer Feld Foto: Fabrizio Bensch/reuters

von Anna Klöpper

Es gibt ein Wort, das steht in der Verwaltung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf dem Index: Flüchtlingsschule. Denn eine Schule nur für geflüchtete Kinder, das widerspricht dem Prinzip Willkommensklasse, auf dessen Erfolg die Senatorin bisher immer stolz verweisen konnte. 8.500 Kinder lernen inzwischen in 750 Lerngruppen Deutsch – an ganz normalen Schulen, weil hier auf dem Pausenhof Integration bestenfalls nebenbei passiert.

Doch die Erfolgsstory gelangt an ihre Grenzen: In der ehemaligen Teske-Schule will der Senat Willkommensklassen ausschließlich für die Kinder aus der benachbarten Notunterkunft auf dem Tempelhofer Feld einrichten. Noch im Januar hieß es aus Scheeres’ Verwaltung: Bildungsangebote ja, eine eigene Schule für die Hangarkinder solle es aber nicht geben.

Nun hat der Senat den Bezirk aufgefordert, die derzeit als Notunterkunft genutzte Teske-Schule für die Einrichtung von Willkommensklassen zur Verfügung zu stellen. Vergangene Woche stimmte das Bezirksparlament von Tempelhof-Schöneberg den Plänen zu. Hintergrund ist, dass Senat und Bezirk schlicht nicht mehr wissen, woher sie die Schulplätze für die rund 450 Kinder im Schulalter nehmen sollen, die laut Betreiber der Massenunterkunft auf dem ehemaligen Flugfeld derzeit in den Hangars leben.

Etwa 2.500 Flüchtlinge sind derzeit in drei von sieben ehemaligen Hangars auf dem Tempelhofer Feld notuntergebracht. Bis zu 7.000 Menschen sollen es noch werden, davon werden laut Schätzungen des Senats rund 1.200 Kinder im Schulalter sein.

Wann in der Teske-Schule der Schulbetrieb mit wie vielen Willkommensklassen beginnen könne, sei noch unklar, sagt CDU-Schulstadträtin Jutta Kaddatz: Der Sanierungsbedarf der ­derzeitigen Notunterkunft sei noch nicht ermittelt. (akl)

„Bei den Schulen im Bezirk ist die Belastungsgrenze mit aktuell 75 Willkommensklassen inzwischen erreicht“, betont Tempelhof-Schönebergs Schulstadträtin Jutta Kaddatz (CDU). Zwar hilft bereits das benachbarte Friedrichshain-Kreuzberg aus und hat ca. 170 Flüchtlingskinder aus den Hangars in den eigenen Schulen aufgenommen – 70 weitere Schulplätze stünden bereit.“Doch damit sind immer noch 210 Kinder in den Hangars, die nicht zur Schule gehen können“, sagt der Brandenburger Grünen-Abgeordnete Hans-Jürgen Kuhn, der auch Mitglied der Ehrenamtlicheninitiative „Schöneberg hilft“ ist, die kürzlich auch in einem offenen Brief an Scheeres gegen die Senatspläne protestierte. Genau deshalb plane man ja mit der Teske-Schule, heißt es aus der Senatsbildungsverwaltung: „Wir hoffen, dass die Ini­tia­tive unsere Ansicht teilt, dass Flüchtlingskinder so schnell wie möglich Zugang zu Bildung benötigen.“

Mit einer reinen Flüchtlingsschule passe man sich aber nur dem Notstand an, eine Lösung sei das nicht, sagt Kuhn: weder in Hinblick auf die „Inte­grationsperspektive“ der Schulkinder noch für die rund 220 Menschen, die derzeit noch in der Teske-Schule notuntergebracht sind und nach den Plänen von Senat und Bezirk nun ins ehemalige Rathaus Friedenau umziehen sollen.

Moratorium gefordert

„Wo ist da das integrations­politische Konzept?“

Hans-Jürgen Kuhn, Schöneberg hilft

„Von einer Notunterkunft in die nächste: Wo ist da das integrationspolitische Konzept?“, fragt Kuhn. Zudem sollen offenbar nur die Familien nach Friedenau umziehen. Die alleinstehenden Männer sollen, laut Kuhn, in den Hangars untergebracht werden, was allerdings weder Senat noch Bezirk bestätigen mochten. Als man gemeinsam mit der Heimleitung den Flüchtlingen am Wochenende die Nachricht überbracht habe, sei das Entsetzen jedenfalls groß gewesen, sagt Kuhn: „Die Menschen wollen zusammenbleiben.“

Die Teske-Schule sei eine funktionierende Notunterkunft, es gebe viele Kontakte zu Ini­tiativen im Kiez. Am heutigen Montag will man erneut an die Öffentlichkeit gehen: „Wir fordern ein Moratorium für die Senatspläne und die Einrichtung eines runden Tisches“, äußerte sich Kuhn am Sonntag gegenüber der taz.