Die Wucht von Wilma

VON BERND PICKERT

Es war der schlimmste Wirbelsturm in der Geschichte Mexikos: Hurrikan „Wilma“ hat bei der Überquerung der Halbinsel Yucatán am Freitag und Samstag massive Zerstörungen hinterlassen und mindestens acht Menschen das Leben gekostet.

Vor allem die heftigen Regenfälle, die mit dem Eintreffen „Wilmas“ auf Land einhergingen, haben die Infrastruktur in den betroffenen Gebieten, darunter einigen Touristenzentren, völlig überfordert und zerstört. Auf der Insel Isla Mujeres gingen binnen 24 Stunden mehr als 1.500 Liter Regen pro Quadratmeter nieder. Bei einigen Hotels in Strandnähe, berichtet die Nachrichtenagentur dpa, erreichte das Wasser das dritte Stockwerk.

Rund eine Million Menschen sind von den Schäden des Hurrikans in Mexiko betroffen. Die meisten haben ihre Häuser verloren, entweder durch Wind oder durch Überflutung. Dank umfangreicher Schutz- und Evakuierungsmaßnahmen sind offenbar nicht mehr Menschen zu Schaden gekommen. Tausende Touristen hatten vor dem Eintreffen „Wilmas“ ihren Urlaubsort verlassen. Andere wurden in zu Schutzräumen umfunktionierte Hotel einquartiert, um dort den Sturm zu überstehen.

Allerdings hat „Wilma“ auch viele jener armseligen Behausungen zerstört, die den tausenden Touristen verborgen bleiben, weil sie jenseits der glänzenden Hotelgebiete am Stadtrand und in den Wald hinein gebaut sind. Die Touristenorte sind ein Zentrum innermexikanischer Migration, weil jedes Jahr viele verarmte MexikanerInnen auf der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten dorthin ziehen.

Für die Riviera Maya, das Zentrum der Tourismusindustrie Yucatáns, ist der Sturm so kurz vor Beginn der Hauptsaison ein doppeltes Desaster. Etliche Strände sind verwüstet, die Infrastruktur zerstört.

„Wilma“ bewegte sich mit nur drei Stundenkilometern äußerst langsam voran, weshalb die ausgedehnten Regenfälle und die bis zu acht Meter hohen Wellen an den Küsten besonders heftig zuschlagen konnten. Mexikanische Medien berichteten gestern, in Cancún – wo es nach Augenzeugenberichten aussehe, als sei „ein Riese durch die Stadt getrampelt“ – sei es am Samstag zu Plünderungen von Supermärkten und anderen Geschäften gekommen. Die Polizei habe zwar kurzzeitig eingegriffen, sich dann aber wieder zurückgezogen, schreibt die Zeitung Jornada in ihrer Internetausgabe.

In Cancún, Playa del Carmen und Isla Mujeres stünden einige Stadtgebiete bis zu zwei Meter unter Wasser, in der gesamten Zone sei der elektrische Strom ausgefallen. Mexikos Präsident, Vicente Fox, sagte in Telefongesprächen mit den Gouverneuren der betroffenen Bundesstaaten Soforthilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau zu.

„Wilma“, der zwischenzeitig zu einem Hurrikan der Kategorie 5 hochgestuft worden war und als stärkster Sturm seit Beginn der Messungen vor rund 150 Jahren galt, hatte noch die Stärke 3, als er auf die mexikanische Küste traf. An Land wurde er in die Kategorie 2 heruntergestuft. Die Meteorologen befürchten allerdings, dass „Wilma“ über den warmen Wassern des Golfs von Mexiko wieder an Kraft gewinnt, bevor er heute die Küste Floridas erreichen soll.

Auch Kuba, bekannt für seine exzellenten Sturmvorbereitungen, evakuierte rund 560.000 Menschen aus Angst vor Regenfällen, Erdrutschen und Überflutungen.

Schon jetzt aber baut sich in der Karibik der nächste Tropensturm auf, dem die Meteorologen in Ermangelung weiterer Namen des Alphabets einen griechischen Buchstaben verpassten: Tropensturm „Alpha“, der 22. dieses Jahres – das damit zur sturmreichsten Hurrikansaison aller Zeiten geworden ist – bedroht nun Haiti, die Dominikanische Republik, die südöstlichen Bahamas sowie die Caicos- und Turks-Inseln.