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Gesund, lecker und ein Imageproblem

ERNÄHRUNG Wir essen immer weniger Obst und Gemüse. Die Fruchthändler rätseln, warum das so ist.

Was wird daraus: Kartoffeln mit Quark oder fettige Pommes? Foto: dpa

BERLIN taz | Sieger ist die Kokosnuss. Zum Abschluss der weltgrößten Fruchthandelsmesse Fruit Logistica in Berlin wurde am Freitag die Innovation eines spanischen Importeurs ausgezeichnet: Bio-Kokosnüsse aus Thailand werden mit einem Verschluss versehen, sodass sie sich leicht wie eine Getränkedose öffnen lassen. Strohhalm für die Kokosmilch inklusive.

Innovationen hat der Handel mit Obst und Gemüse dringend nötig, wie die Messe unter dem Berliner Funkturm mit 2.800 Ausstellern und 70.000 Fachbesuchern zeigte. Weltweit wurden 2015 über eine Milliarde Tonnen Gemüse und 830 Millionen Tonnen Obst produziert. In Deutschland ging nach dem Rekordjahr 2014 die Gemüseernte mit 3,6 Millionen und das Ergebnis beim Obst mit 1,3 Millionen Tonnen deutlich zurück.

Sorge macht den Fruchthändlern aber weniger die Produktion von Äpfeln und Salaten, sondern deren Absatz beim Verbraucher. So ist der Pro-Kopf-Verzehr von frischem Obst und Gemüse in den 28 EU-Mitgliedstaaten in den letzten zehn Jahren von 139 auf 124 Kilogramm um 11 Prozent zurückgegangen. Auch für Deutschland konstatiert Dieter Krauß, Präsident des Deutschen Fruchthandelsverbandes: Für den täglichen Konsum von 400 Gramm Obst und Gemüse, den die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, „sind noch viele Maßnahmen erforderlich“. Derzeit liegt Deutschland bei 270 Gramm und ist vom allseits propagierten Ziel „5 am Tag“ (fünf Stück Obst und Gemüse) noch weit entfernt: Es belegt den viertletzten Platz in Europa.

Nach Branchenschätzung gibt es 7,8 Millionen Vegetarier und 900.000 Veganer in Deutschland. „Aber es ist ein Paradox, dass dadurch der Verbrauch an Obst und Gemüse nicht steigt“, räumt Helwig Schwartau von der Agrarmarkt-Information GmbH (AMI), einem Statistikdienst der Branche, ein. „Statt zu natürlicher Frischkost greifen sie immer häufiger auch zu industriell hergestellten Lebensmitteln, Beispiel Tofuwurst“.

Noch mehr schmerzt Schwartau aber der Verlust der jungen Generation, weil in der Familie immer weniger selbst gekocht wird: „Wenn man nicht schon als Kind an Obst und Gemüse herangeführt wird, gelingt das später nur sehr schwer“. Das „Schulobst-Programm“, das mit öffentlichen Mitteln den Absatz von Äpfel und Birnen als Pausen-Snack fördern soll, hat sich noch nicht in allen Bundesländern durchgesetzt.

Kann die Banane gegen den Schokoriegel gewinnen? Für Fruchtgroßhändler Krauß ist klar: „Es gelingt uns noch nicht, eine emotionale Botschaft rüberzubringen.“ Beim Marketing sieht es aber schlecht aus. Stefan Weist von der Supermarktkette Rewe lieferte als Vorstandsmitglied des europäischen Frucht-Lobbyverbandes „Freshfel“ die Zahlen. Danach macht die Obst-und-Gemüse-Branche europaweit einen Umsatz von 120 Milliarden Euro im Jahr, gibt aber für Marketing lediglich 500 Millionen aus. Alle anderen Lebensmittel erwirtschaften einen zehnmal höheren Umsatz, nämlich 1.200 Milliarden Euro, und stecken etwa 120 Milliarden Euro in die Werbung. Zusammen hätten Obst und Gemüse damit „einen Anteil am Marketing-Topf aller Lebensmittel von 0,04 Prozent“, rechnet Händler Weist vor. „So kommen wir nicht weiter.“

MANFRED RONZHEIMER