kolumne
: Der lange Weg nach Dahlem

Die Hauptstadt-Grünen haben eindeutig ein Talent, Skandale aufzudecken. Ohne sie ginge es den Berlinern schlecht. Sie wüssten beispielsweise nicht, dass ein asiatischer Großhandel in Lichtenberg direkt neben dem Sondermülllager Tofu, Reis und Sojasprossen verkauft. Und auch was die Flierl’- schen Verwirrungen in Sachen Kino Babylon angeht, tappten sie noch ahnungslos im Dunkeln.

In der gestrigen Kulturausschusssitzung wurden die Grünen schon wieder fündig. Diesmal trifft es zwei Doppeldeckerbusse der BVG. Die steuern nämlich seit vergangenem Dienstag im Ein-Stunden-Takt auf einer Ringlinie zwischen Mitte und Charlottenburg die kulturellen Höhepunkte der Stadt an. Nun, daran kann man auf den ersten Blick wahrlich nichts Skandalöses entdecken. Zumal die Nutzer des Services brav 18 Euro inklusive Museumseintritte bezahlen. Doch wie bei den Grünen selbst ist auch bei der Enthüllungsstory zur „Top-Museums-Tour“ investigativer Geist gefragt.

Gesucht wird also zunächst der Skandal. Der liegt nach Meinung von Alice Ströver, der grünen Vorsitzenden des Kulturausschusses, nicht etwa darin, dass die Busse bisher keiner bemerkt hat – geschweige denn die Touristen. Dank fehlender Werbung fahren die Doppeldecker noch ohne Mitfahrer. So bleibe man unter sich, freute sich jüngst schon das Personal.

Nein, das Faule an den – wie Ströver lediglich amüsiert einräumt – leeren Bussen liegt anderswo begraben: Die Route diskriminiere nämlich eindeutig die Dahlemer Museenlandschaft. Weil der Standort in der „Top-Museums-Tour“ nicht angefahren wird, empört sich die Grüne, würden die Dahlemer Museen weiter kulturpolitisch abgehängt.

Warum jedoch ein Fahrgast bei einer durchschnittlichen Verweildauer in einem Museum von eineinhalb Stunden dieselbe Zeit in einem Bus absitzen soll, nur um nach Dahlem zu tuckern, leuchtet auch dem Kultursenator nicht ein. Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) weist daher den Skandal, in dem die Grünen nach den Worten des Senators gerne einen „regionalpolitischen Mitte-Chauvinismus“ sähen, als „herbeigeredetes Problem“ zurück.

Dass die Grünen diesmal tatsächlich eine Haltestelle übers Ziel hinausgeschossen sind, wird allein an Folgendem ersichtlich: Das Schicksal der Dahlemer Museen hängt nicht an der Route von zwei Doppeldeckern. Es wird am Schlossplatz entschieden. Wenn hier tatsächlich einmal das Humboldt-Forum gebaut wird, gehen bei den außereuropäischen Sammlungen in Dahlem die Lichter aus. Doch dieser Skandal ist noch eine Baustelle von weit größerer Dimension. TINA HÜTTL