Münchner Sicherheitskonferenz

Frieden für Syrien, Entspannung zwischen Ost und West? Wie große Hoffnungen in vielen kleinen Reden zerbröselt sind

Säbelrasseln in Maßanzügen

Kalter Krieg In München sollte die fragile Weltlage ein wenig beruhigt werden. Doch das Gegenteil ist geschehen. Wie aus einem hoffnungsvollen Beginn ein niederschmetterndes Ergebnis erwuchs

Während der Münchner Sicherheitskonferenz: Demonstranten trommeln gegen den Krieg Foto: M. Dalder/reuters

Aus München Tobias Schulze

Zumindest der Geiger macht noch Hoffnung. Er steht am Sonntag gleich hinter der Sicherheitsschleuse; wenn die Konferenzteilnehmer das Hotel Bayerischer Hof in Richtung Innenstadt verlassen, müssen sie an ihm vorbei. Den Musical-Klassiker „Somewhere Over the Rainbow“ hören sie den Straßenmusiker dann spielen. „Und wenn die ganze Welt ein heilloses Durcheinander ist“, heißt es darin: Irgendwo hinter dem Regenbogen gebe es doch noch ein himmlisches Plätzchen. Dort singen die Rotkehlchen, lachen die Menschen und werden irgendwann alle Träume wahr.

„Wir sind in die Zeiten eines neuen Kalten Krieges abgerutscht“, sagt im Festsaal des Hotels der russische Ministerpräsident.

„Wahrscheinlich stehen wir sogar vor einem heißen Krieg“, sagt die Präsidentin Litauens.

„Russland destabilisiert die europäische Ordnung. Darauf müssen wir deutlich antworten“, sagt der Nato-Generalsekretär.

Selten platzten auf der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) innerhalb von 48 Stunden so viele Hoffnungen. Als die Veranstaltung am Freitagmittag begonnen hatte, war die Einigung auf eine Feuerpause in Syrien noch frisch und unbefleckt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verkündete bereits Pläne für den Wiederaufbau des Landes. Diplomaten streuten die Zuversicht, dass Russland auf Entspannung setze: Statt selber aufzutauchen, habe Wladimir Putin schließlich seinen vergleichsweise moderaten Ministerpräsidenten Dmitri Medwedjew nach München geschickt.

Falsch gedacht. Als SiKo-Leiter Wolfgang Ischinger die Konferenz zwei Tage später schließt, muss er zugeben: In München gab es so einige „deprimierender Bilder und Eindrücke“. Wer den Kontrahenten zuhörte, bekam eine Ahnung davon, warum die Annäherungsversuche im Nahen Osten, in der Ukraine und anderswo so schleppend vorangehen.

Da wäre zum Beispiel der bereits genannte Medwedjew: „Ich habe vor meinem Abflug nach München mit Wladimir Putin gesprochen“, sagt er gleich zu Beginn. Augenscheinlich holte er sich im Kreml einen anderen Auftrag als erwartet: Nato und EU haute er in 15 Minuten Redezeit sämtliche Versäumnisse der letzten Jahre um die Ohren. Die arabische Welt habe der Westen destabilisiert. Für die Vorwürfe russischer Angriffe auf syrische Zivilisten liefere er keine Beweise. Mit Sanktionen gegen Russland schade er sowohl Moskau als auch sich selbst.

Und die Gegenseite? Als Antwort auf Russlands Aggression werde die Nato verstärkt auf Verteidigung und Abschreckung setzen, sagt Generalsekretär Jens Stoltenberg. Polens Präsident Andrzej Duda fordert, die Militärpräsenz an den Grenzen zu Russland aufzustocken. Europa-Politiker Martin Schulz beschuldigt Putin, einen Keil in die EU zu treiben.

Dabei ist die Lage schon kompliziert genug. Um noch eins draufzusetzen kommt auf der Bühne eine Zwischeneinlage dazu: Der Iran (pro Russland) und Saudi-Arabien (pro Westen) führen einen subtilen Akt ihres Stellvertreterkriegs auf.

Zunächst ist Adel al-Dschubeir an der Reihe. Wer ihn nicht kennt, könnte ihn glatt für den Außenminister von Auenland halten, der Heimat der Hobbits aus der Fantasy-Reihe „Herr der Ringe“. Die wollen eigentlich nur in Frieden leben – bis das Schicksal sie zwingt, mal eben die Welt zu retten.

„Wir sind ein Land, das keine Ambitionen außerhalb seiner Grenzen hat. Wir konzentrieren uns auf das Wohl unserer eigenen Bevölkerung. Wir wollen Sicherheit und Frieden“, sagt der saudische Außenminister. Und die Kriege in Jemen und Syrien? Nun, dort habe es ein „Machtvakuum“ gegeben. In Damaskus müsse Präsident Assad übrigens weg, das sei klar.

Kurz darauf beteuert Irans Außenminister Mohammed Sarif, im Kampf gegen den IS zur Kooperation bereit zu sein. Das Verlangen des Saudis aber, Assad fallen zu lassen, was den Iranern eigentlich überhaupt nicht schmeckt – diese Bedingung schweigt er schlicht aus.

„Wir sind in die Zeiten eines neuen Kalten Krieges abgerutscht“

Russlands Regierungschef Dmitri Medwedjew

Und dieser Iraner soll jetzt also zusammen mit den Vertretern anderthalb Dutzend weiterer Staaten einen Friedensfahrplan für Syrien umsetzen. Schöne Aussichten.

Trotzdem gibt es Konferenzteilnehmer, die mit einem Rest von Zuversicht abreisen. Am Sonntagmorgen sitzen drei Bundestagsabgeordnete der Linkspartei im Bacchuskeller zusammen. Sie ziehen ihr Fazit.

„In allen Reden gab es unterschiedliche Teile. Medwedjew hat ordentlich zugelangt, aber am Ende auch gesagt, dass Dia­log nötig ist“, sagt der Berliner Abgeordnete Stefan Liebich. Das stimmt schon: Auch Nato-Chef Stoltenberg hatte nicht nur gedroht – sondern auch eine Zukunft des Nato-Russland-Rats in Aussicht gestellt.

Fünf Linken-Abgeordnete waren zur SiKo eingeladen. Ganz unumstritten ist das in der Partei nicht. Einige lehnen die Veranstaltung ab, der bayerische Landesverband unterstützt die Gegendemo. Am Samstag ziehen über 3.000 Teilnehmer durch die Innenstadt. Einer von ihnen ist der Liedermacher Konstantin Wecker. „Die Politiker belächeln uns, das wissen wir“, sagt er. Er sei aber überzeugt, dass man „irgendwann mit dem Pazifismus beginnen“ müsse.

Na immerhin. Einen Klavierspieler mit etwas Hoffnung gab es am Wochenende in München also auch noch.