Statt Asyl in Spanien: Deportation nach Mali

Was aus Flüchtlingen wird, die in Melilla über die Grenze kletterten und von Spanien wieder abgeschoben wurden

MADRID taz ■ Es kam, wie es kommen musste: Marokko hat am späten Sonntagnachmittag bekannt gegeben, 49 Schwarzafrikaner nach Mali deportiert zu haben, die Spanien selbst aus seiner Exklave Melilla nach Marokko abgeschoben hatte. „Unter ihnen befanden sich zwei Asylbewerber“, berichtet die Sprecherin des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in Madrid, Francesca Fontanini. „Wir hatten weder in Spanien noch in Marokko Zugang zu ihnen, um ihre Fälle genauer zu analysieren“, erklärt Fontanini, für die das Vorgehen beider Länder „ein schwerer Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention“ ist. Die 49 gehörten zu einer Gruppe von 73 Schwarzafrikanern, die am 7. Oktober nach ihrem Grenzübertritt nach Melilla über das spanische Festland nach Marokko „rückgeführt“ worden waren.

Die verbleibenden 24 dieser Gruppe wurden von der marokkanischen Polizei mit Bussen in den Süden Marokkos gebracht. Unter ihnen befinden sich nach Angaben des UNHCR vier Bürger der Elfenbeinküste, die bereits in Spanien versucht hatten, Asyl zu beantragen. Dies wurde ihnen nicht ermöglicht. „Sie gehören der Dioula-Ethnie aus dem rebellischen Norden des Landes an“, weiß die UN-Sprecherin. „Wenn sie in den Süden der Elfenbeinküste gebracht werden, bedeutet dies für sie Lebensgefahr.“

Das Schicksal der 6 abgeschobenen Asylbewerber ist kein Einzelschicksal. Das UNHCR schätzt, dass über 100 weitere Asylbewerber noch zwecks Abschiebung festgehalten werden. Marokko hat in den letzten Wochen bereits über 2.500 illegale Einwanderer in westafrikanische Länder zurückgeflogen. Tausende Migranten wurden bei Razzien in der Umgebung der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla festgenommen und entweder in ihre Heimatländer deportiert oder in den Süden Marokkos beziehungsweise die besetzte Westsahara verschleppt. Die meisten der Letzteren befinden sich in Militärcamps. Weder das UNHCR noch NGOs wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) haben dort Zugang. Größere Gruppen wurden gar in der Wüste ausgesetzt, auf der anderen Seite des von Marokko in der Westsahara errichteten Schutzwalls. Immer wieder greift die Befreiungsbewegung „Polisario“ welche auf.

Für die tausende von Illegalen, die bereits im Laufe des Sommers den Zaun von Melilla im Sturm genommen haben und so auf spanisches Gebiet gelangten, gibt es aller Voraussicht nach erst einmal eine Gnadenfrist. Denn anders als von der spanischen Regierung verbreitet, scheint Marokko nicht bereit, ein spanisch-marokkanisches Rücknahmeabkommen von 1992, das eine Rückführung von illegalen Einwanderern auch aus Drittländern vorsieht, in Kraft zu setzen. Die Rückführung der 73 war demnach eine einmalige Operation – nicht der Auftakt einer engen Zusammenarbeit zwischen Madrid und Rabat, wie die Vizepräsidentin María Teresa Fernández de la Vega damals auf einer Pressekonferenz behauptet hatte, sondern Ergebnis mehrere Telefonate des spanischen Königs Juan Carlos I. mit dem marokkanischen Monarchen Mohammed VI. Mehrere spanische Organisation bereiten gegen die Abschiebung der 73 eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor. REINER WANDLER