Das Ding, das kommt
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Mit dem Hackebeil brachte der Serienmörder Fritz Haarmann in Hannover 24 junge Männer um. Jetzt stellt ein Musical dort die Frage: Wie geht die Kunst mit so jemandem um? Foto: Jacques Monnin

Ein Stück Stadtfolklore

Wie geht die Kunst mit jemandem um, der mit dem Hackebeil 24 junge Männer umgebracht, sie zerstückelt und das Fleisch zum Verzehr verkauft hat? Mit jemandem wie dem Serienmörder Fritz Haarmann, der in den 1920er-Jahren in Hannover genau das tat? Darum geht es ab Montag im dortigen Staatstheater, im Musical „Amerikanisches Detektivinstitut Lasso“.

Bewiesen ist der Fleisch-Verkauf zwar nicht, aber nach allem, was man heute weiß: So muss es wohl gewesen sein. Seitdem jedenfalls ist Haarmann ein Stück Stadtfolklore geworden: Auf der Expo 2000 sollte es eine Haarmann-Meile geben, samt Hackebeil wurde er auf einem Adventskalender mit Hannover-Motiven abgebildet. Es gibt das Haarmann-Lied, das Sprengel-Museum kaufte ein Haarmann-Fries des Künstlers Alfred Hrdlicka und eine Haarmann-Fahne im Fanblock von Hannover 96 wurde 2012 zum Politikum.

Fast immer gab es Ärger, meist in Verbindung mit dem Vorwurf der Geschmacklosigkeit. Die Folge: Haarmann verschwand meist schnell wieder: Das Sprengel-Museum hat den Fries kaum je gezeigt, die Haarmann-Meile wurde nicht realisiert, die Fußball-Fans verzichteten nach der Anordnung von Stadionverbot auf die Fahne. Zugleich erscheinen immer wieder Haarmann-Filme, -Bücher und -Comics, oft getragen von einer diffusen Faszination, wie sie etwa auch Charles Manson zuteil wird. Der Umgang mit Haarmann: nach wie vor kompliziert.

Auch als das Schauspiel Hannover im Frühjahr vergangenen Jahres vermeldete, ein Haarmann-Musical sei in Planung, fragte die Hannoversche Allgemeine Zeitung prompt: „Darf man einen Kinderschänder und Massenmörder zur Ikone der Kunst hochstilisieren?“

Dass sich das Musical des 34-jährigen Berliner Autors Nis-Momme Stockmann gar nicht mit der Biografie Haarmanns beschäftigt, wusste sie nicht. Wenn am kommenden Mittwoch der Vorhang für die Uraufführung hochgeht, wird Haarmann selbst nämlich nur als Nebenfigur auf der Bühne stehen. Im Zentrum steht stattdessen ein Autor, der den Auftrag hat, ein Haarmann-Musical zu schreiben und darüber reflektiert, was von diesem Auftrag zu halten ist. Also „ein Musical über das Scheitern an einem Musical über Fritz Haarmann“. Das wird sicher keinen Ärger mit sich bringen. KLI

„Amerikanisches Detektivinstitut Lasso“: Premiere am Mi, 17. 2., Schauspiel Hannover. Eine Rezension können Sie am Freitag in der taz lesen.