Portrait: Der Quantenquetscher
Ganz nah an den Urknall möchte er ran. Sich ihm bis auf eine Millisekunde nähern und erfahren, was damals geschah, „als das Licht noch nicht erschaffen war“. Ja, der Hamburger Physikprofessor Roman Schnabel hat wirklich „erschaffen“ gesagt. Rudert dann ertappt zurück und lacht: Nein, nicht von Gott, aber „vielleicht ist alles zufällig durch Quantenfluktuationen entstanden“. Jedenfalls war die Gravitationswelle schon da, als alles noch dunkel war. Und wer die messen kann, spürt den Nachhall der Stunde Null.
Daran hat der 47-Jährige mit seinem Team am Albert-Einstein-Institut der Uni Hannover sowie Kollegen in den USA bis 2015 mitgearbeitet. Am Donnerstag haben sie – parallel in Washington und Hannover – verkündet, dass ihnen das Große gelang: diese scheuen Gravitationswellen dingfest zu machen und eine neue Ära der Astronomie einzuläuten. Man erinnert sich: Gravitationswellen entstehen, wenn zwei Schwarze Löcher – verdichtete Ex-Sterne – zusammenknallen. Das setzt Gravitationsenergie frei, die durchs All rast – wie Wellen, die ein ins Wasser geworfener Ball erzeugt.
Nur kann man den Ball mit bloßem Auge sehen und die Lichtjahre entfernten Schwarzen Löcher nicht. Weswegen man die mit hannoverscher Hilfe entwickelten riesigen Spiegel des LIGO Livingston Oberservatory in den USA braucht. Die schwingen frei, und wenn sie sich bewegen, hat man eine Gravitationswelle gemessen. Wenn es nicht ein Auto oder ein Erdbeben war, was bereits mehrfach zu Fehlalarmen und weltweiter Häme führte.
Aber wie dem auch sei: Gemessen wird die Winz-Bewegung der Spiegel mit Laserlicht, und selbst dessen Aufprall kann zu Fehlern führen. Schnabel, der inzwischen in Hamburg lehrt, hat sich der Verbesserung dieser Spiegel verschrieben. „Wir können jetzt das Quantenrauschen von Licht quetschen“, sagt er und meint: reduzieren. Schnabel erzählt geduldig, versucht verständlich zu erklären und findet seine Wissenschaft kein bisschen abstrakt: „Wir haben jede Menge Messergebnisse, das ist doch sehr handfest.“
Und dann sagt er noch etwas, das eher mystisch klingt: Er habe durch seine Arbeit vor allem eins gelernt: „dass es den echten Zufall gibt. Dinge, die ohne Grund passieren.“ PS
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