Der alte Mann und der große Wurf

American PIE Quarterback-Legende Peyton Manning gewinnt mit den Denver Broncos seinen zweiten Superbowl. Zu verdanken hat dies der eher mäßig spielende 39-Jährige seinen starken Defensivkollegen

Eine seiner letzten großen Aktionen? Peyton Manning versucht im Finale gegen die Carolina Panthers zu punkten Foto: Larry W. Smith/dpa

Von Markus Völker

In seinem Nacken steckt ein Stück Knochen, das da nicht hingehört. Es ersetzt eine Bandscheibe, die auf die Nerven seines Armes drückte. Peyton Manning, Superbowlsieger mit seinen Denver Broncos, ist im Grunde ein Sportinvalide. 39 Jahre ist er alt. Es war wohl seine letzte Chance auf den zweiten großen Sieg in diesem Spiel der besten amerikanischen Football-Teams, und Manning nutzte sie in Santa Clara, nicht etwa, weil er eine grandiose Leistung zeigte, sondern weil er sich auf eine starke Defensive verlassen konnte – die stärkste der Liga. So gewann der Underdog gegen das beste Offensivteam, die Carolina Panthers, mit 24:10 unerwartet deutlich.

Mit dem lädierten Nacken spielt Manning schon vier Jahre. Nach der Operation konnte er den Football kaum vier Meter weit werfen. Seine Muskeln waren degeneriert. Vertraute sagten, er habe in den Wochen nach der OP den Oberkörper eines 12-Jährigen gehabt. Die Ärzte waren skeptisch, ob er es jemals wieder packen würde. Seine Indianapolis Colts, offenbar ebenso skeptisch, schmissen ihn 2011 raus. Er ging zu den Denver Broncos, für die vor allem sprach, dass dort John Elway etwas zu sagen hatte, noch so ein großer Ballwerfer.

Noch immer ist der rechte Wurfarm von Peyton Manning schwächer als vorher. Und obgleich Manning 1,97 Meter misst, wirkt er neben seinen bulligen Teamkameraden geradezu schmächtig – ein gealterter Asket, der die Signale seines Körpers willentlich überhört. Manche Würfe kann er nicht mehr ansetzen, bei anderen eiert der Football herum, als habe ihn ein Halbprofi geworfen und nicht einer der besten Quarterbacks, den die National Football League je hatte. Wie hart Manning gearbeitet hat, beweisen zwei Auszeichnungen, die er sich nach der „Nacken-Sache“ (Manning) schnappte: 2012 wurde er im Trikot der Broncos Comebackspieler des Jahres und ein Jahr später Offensivspieler der Saison.

Seine statistisch erfassten Leistungen übertrafen sogar seine Spitzenwerte aus den nuller Jahren. Dass er dabei auch mit Wachstumshormonen aus einer Anti-Aging-Klinik, dem Guyer-Institut, versorgt worden sein soll, wie in einem Dokumentarfilm („Die dunkle Seite“) im Dezember behauptet wurde, hat Manning nicht angefochten. „Das ist kompletter Müll. Das ist nie passiert“, ließ der Star der Denver Broncos mitteilen – und damit hatte es sich für die meisten NFL-Fans. Erst seit einem Jahr wird in der Liga der Muskelprotze auf Wachstumshormone getestet. In Dopingfragen ist man traditionell etwas hinterher.

Spaßverderber wollte an diesem Sonntag in Kalifornien freilich niemand sein, daher war die wichtigste Frage, die Manning und seinen Teamkollegen dutzendfach gestellt wurde, die nach der Zukunft des Spielgestalters. Macht der alte Mann weiter, erfüllt er seinen bis 2017 laufenden Vertrag? Er wolle sich nicht zu einer emotionalen Entscheidung hinreißen lassen, sagte er nach dem Spiel, doch alles andere als ein Kar­riereende auf dem Gipfel des Erfolgs wäre eine Überraschung. Ihm ist ja schon unter der Saison ganz schön die Luft ausgegangen. Er war verletzt – und hat, das mag paradox klingen, die mit Abstand schlechteste Saison seiner Karriere gespielt.

Er wolle sich nicht zu einer emotionalen Entscheidung hin­reißen lassen, sagte er, doch alles andere als ein Karriereende auf dem Gipfel des ­Erfolgs wäre eine ­Überraschung

Hätte ihm nicht ein ums andere Mal diese grandiose Verteidigung der Broncos aus der Patsche geholfen, Manning hätte noch schlechter ausgesehen. Auch in diesem Superbowlfinale machte er nichts Außergewöhnliches. Er warf in der Summe nur 141 Yards, von seinen 23 Wurfversuchen kamen 13 an. Einmal landete einer seiner Würfe in den Händen des Gegners. Manning warf keinen Touchdown-Pass, er bekam eigentlich nur einen richtigen Drive hin, aber den großen Eindruck musste er auch gar nicht hinterlassen, denn den Rest erledigte die Defense um Vonnie „Von“ Miller, der bezeichnenderweise zum wertvollsten Spieler (MVP) der Partie gewählt wurde.

Zweimal brachte der 26-Jährige den gegnerischen Spielmacher zu Boden, kam auf 2,5 so genannte Quarterback-Sacks und schlug noch zweimal den Ball aus der Hand von Panthers-Spielmacher Cam Newton. „Wir sind in seinem Kopf gewesen. So ist er die ganze Saison noch nicht gejagt worden“, sagte Broncos-Verteidiger Malik Jackson. Cam Newton, der MVP der Saison, kam zwar mit seinen Pässen auf 265 Yard Raumgewinn, aber die Zerstörer der Broncs raubten ihm den letzten Nerv.

So sahen die im Schnitt 1,8 Millionen Sat.1-Zuschauer in Deutschland und 115 Millionen in den USA kein hochklassiges Spiel, aber ein sehr abwechslungsreiches. Am Ende musste Peyton Manning, der glorreiche Veteran, nur ein durchschnittliches Spiel hinlegen, um die Vince-Lombardi-Trophäe in die Höhe zu stemmen.