Der HSV und sein Praxisproblem

Fehlstart Der HSV holt gegen den 1. FC Köln im dritten Spiel das erste, magere Pünktchen im neuen Jahr – und das ist beileibe nicht das Einzige, was beim Fußballbundesligisten derzeit schiefläuft

Theoretisch müssten sich die Dinge beim HSV zum Positiven entwickeln. Theoretisch hatten die Hamburger am Sonntag gegen Köln zwei Offensivkräfte auf dem Platz: Pierre-Michel Lasogga und Josip Drmić – Letzterer war erst wenige Tage zuvor von Mönchengladbach nach Hamburg gekommen. Theoretisch ist der HSV also sein Problem der fehlenden Torgefährlichkeit angegangen. Aber der HSV hat ein Praxisproblem. Und das sieht so aus: 20 Minuten spielt die Mannschaft nach vorne und dann knickt sie ein. Das passiert ihr immer wieder – auch gegen den 1. FC Köln.

Dem Spiel gegen Köln waren aber auch unruhige Wochen vorausgegangen, sowohl auf der Chefetage als auch in der Mannschaft. Da war zum Beispiel die Posse um den Ivorer Sekou Sanogo, den der HSV von den Young Boys Bern holen wollte: Der mit heißer Nadel gestrickte Transfer platzte, weil eine E-Mail der Berner mit den Vertragsunterlagen erst knapp nach Ende der Transferfrist einging. Dann erzählte HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein dem Wirtschaftsmagazin Finance, dass der Club „sportlich wie finanziell“ ein Sanierungsfall sei – die Verbindlichkeiten würden sich derzeit auf 90 Millionen Euro belaufen. Und drei Tage vor der Partie waren zwei Spieler im Training aneinander geraten: Michael Gregoritsch foulte Ivo Iličević hart, wofür der sich mit einer Kopfnuss revanchierte. Für das Spiel gegen Köln fielen damit beide aus: Gregoritsch, weil er sich bei dem Foul selbst verletzte, und Iličević, weil er von Trainer Bruno Labbadia kurzfristig suspendiert wurde.

Nach den ersten brauchbaren 20 Minuten überließ der HSV also den Kölnern Schritt für Schritt das Feld. Zum ersten Mal Glück hatten die Hamburger in der 38. Minute, als der Kölner Anthony Modeste mit seinem Kopfball nach einer Ecke nur die Latte traf. Drei Minuten später ließ sich HSV-Verteidiger Johan Djourou in der eigenen Hälfte zu einem Fehlpass zwingen. Kölns Jonas Hector schickte Marcel Risse steil durch die Abwehr und es stand 0:1.

HSV-Trainer Bruno Labbadia begegnete dem Praxisproblem im Sturm mit einer Auswechslung: Pierre-Michel Lasogga blieb in der Kabine, für ihn kam in der zweiten Halbzeit Artjoms Rudnevs. Der kombinierte in der 47. Minute schnell mit Gojko Kačar und spielte Nicolai Müller frei, der mit einem Schuss in den Winkel den Ausgleich besorgte.

Der HSV hatte nun seine stärkste Phase, baute einige Minuten viel Druck auf und war bei einem wuchtigen Fernschuss von Kačar nicht weit von der Führung entfernt. Aber der Lauf des HSV dauerte nicht lange. Danach kam Köln wieder: Nicht so dominant wie in der ersten Halbzeit, aber doch so, dass der HSV zu keinen größeren Torchancen mehr kam. Da half auch die Hereinnahme von Sven Schipplock für den blassen Drmić nicht.

Das Unentschieden hilft dem HSV nicht viel weiter. Trainer Bruno Labbadia hat noch einiges zu tun, wenn es diese Saison nicht wieder so weit kommen soll, dass der HSV eine tragende Rolle im Abstiegskampf übernimmt. Klaus Irler