Gute Rahmenbedingungen

ZUSATZANTRIEB Nach einem Betrugsfall im Radsport der Frauen keimt der Verdacht, Männer könnten Elektromotorenschon seit dem Jahr 1998 genutzt haben. Mittlerweile sind die Apparate auf die Größe von USB-Sticks geschrumpft

Siegerin der ersten Etappe der Katar-Rundfahrt: Kirsten Wild aus den Niederlanden Foto: imago

aus Doha Tom Mustroph

Es ist laut bei der Katar-Rundfahrt der Frauen: Während bei den großen Straßenrennen der Männer gewöhnlich eine Stunde vorm Start der Verkehr längst umgeleitet ist, fahren sich die Teilnehmerinnen dieses Auftaktrennens der neu ins Leben gerufenen Women’s World Tour mitten im Straßenverkehr warm. Genörgelt wird darüber nicht, schließlich ist die Vorfreude auf die Rennserie groß. „Es tut sich einiges im Frauenradsport. Für uns ist gut, Rennen zu haben, die an die Männerrennen anknüpfen. Das gibt uns das Gefühl dazuzugehören“, sagt Lisa Brennauer, ehemalige Weltmeisterin im Zeitfahren und in Katar dabei, um sich auf die großen Ziele Olympia und WM einzustimmen.

Zur Women’s World Tour gehören 17 Rennen, von denen zahlreiche in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu großen Männerrennen wie Tour de France, Spanien-Rundfahrt, Kalifornien- oder Flandernrundfahrt stattfinden und meist vom gleichen Veranstalter organisiert werden. So auch die Katar-Rundfahrt, für Männer wie Frauen vom Tour de France-Ausrichter ASO auf die Beine gestellt.

Motorengedröhn im Radsport hat seit der Entdeckung eines verbotenen Hilfsmotors im Rad der belgischen Crossfahrerin Femke van den Driessche bei der WM am letzten Wochenende allerdings eine besondere Bedeutung. „Ich finde das schlimm. Das ist Betrug und sollte in unserem Sport keinen Platz haben“, sagte Brennauer der taz. Gelassener nahm Emma Johansson, schwedische Olympiazweite von 2008 und mehrfache WM-Medaillengewinnerin, den Betrugsversuch auf. „Das Gerede über Motoren gibt es ja schon seit einigen Jahren. Es ist gut, dass da jetzt etwas rausgekommen ist. Und es wird eine Lektion für alle sein. Für die 19-Jährige ist das hoffentlich ein heilsamer Schock, wenngleich ich nicht glaube, dass sie das ganz allein eingebaut hat. Da müssen ihr andere geholfen haben“, sagte sie.

Trixie Worrack, noch ein paar Jahre länger beim Profiradsport dabei als Johansson und ebenfalls mit WM-Edelmetall dekoriert, machte folgende Rechnung auf: „Wenn man so einen Motor jetzt bei einer Frau entdeckt hat, dann heißt das, dass das unter den Männern schon früher im Umlauf gewesen sein muss. Man hat nur nichts gefunden.“ Dafür spricht einiges. Zum einen beruhte die Kontrolle des Weltverbandes UCI auf einer besseren Technologie. Zum anderen erfreut sich der Männerrennsport größerer technischer und finanzieller Ressourcen als der der Frauen.

„Es wird eine Lektion für alle sein“

Emma Johansson, Radprofi

Und auch der Anreiz zum Betrügen ist größer. Dass ihm nachgegeben wird, signalisierte im letzten Jahr ein Interview des Ingenieurs Istvan Va­rjas in der L’Equipe. Er hat Hilfsmotoren in Rennmaschinen eingebaut; Stückpreis zwischen 100.000 und 150.000 Euro. „Die Motoren haben die Größe eines USB-Sticks. Sie sind leicht einzubauen und ermöglichen verschiedene Leistungseinstellungen“, beschrieb er sein Produkt. Er geht davon aus, dass solche Motoren bereits seit 1998 im Peloton in Gebrauch seien. Stimmt das, dann müsste die Geschichte des Rennsports noch einmal umgeschrieben werden. Die Dopingfahrer von damals hätten demnach Konkurrenz von Pedaleuren auf E-Bikes gehabt; die ganz Schlauen in der Branche sollten beides sogar miteinander verbunden haben. Dickes Blut und Blitze im Rahmen also.

Einige Protagonisten im Frauenradsport stimmt der E-Motor bei der Cross-Athletin nachdenklich. Denn je attraktiver der Sport selbst wird, desto größer werden auch die Anreize zum Betrug. „Wir müssen da gut überlegen. Der Frauenradsport wächst. Es fließt etwas mehr Geld. Die Mannschaften werden besser aufgestellt, können nicht nur den Spitzenfahrerinnen Geld geben. Wenn man da keine Ideen mehr hat, wie man eine Gruppe von Sportlerinnen besser machen und Talente entwickeln kann, dann kann es ein Anreiz sein, technologisch nachhelfen zu wollen“, erzählt Ronny Lauke, Chef von Brennauer und Worrack beim neuen deutschen Rennstall Canyon SRAM.

Das wiederum bedeutet: Mehr Kontrollen sind nötig. Und drastische Strafen. Die belgische Radlegende Eddy Merckx plädierte am Rande des Rennens in Katar, zu dessen Organisatoren er gehört, für eine lebenslange Sperre für Motordoper. Er selbst benutzte damals nur Medikamente zum zusätzlichen Formaufbau.