Lachshauttaschen und Puffbrause auf der Fashion Week
: Glückliche Raupen

Ausgehen und rumstehen

von Jenni Zylka

Sista Fashionista is in da house, wer sich also nicht aufbrezelt, der lebt verkehrt. Wozu den Fashion-Week-Bohai ignorieren? Je kleiner die winterliche Berliner Modewoche sich geschrumpft hat, umso gemütlicher und stressfreier wurde sie. Und so bleibt nach der Green-Fashion-Salonhow am Wochenanfang genug Zeit, um sich im Postbahnhof über Entwicklungen auf dem Jahrmarkt der Nachhaltigkeiten zu informieren.

Lachshaut zum Beispiel – das Abfallprodukt aus der Fischverarbeitung lässt sich hervorragend zu schicken Schuhen und Taschen verarbeiten, die weder fischig riechen noch so aussehen – man denkt angesichts des schuppigen, gerbstofffreien Fischleders eher an teure, naturgeschützte Schlange. Aber keine einzige Klapperschlange wurde gewürgt, bis ihre Klapper schlapper klang!

Und den Schmetterlingen geht’s bekanntlich auch immer besser: Am Cocccoon-Stand erzählt der bescheidene indische Meister der gewaltfreien Seidenherstellung (die Raupen dürfen glücklich schlüpfen, bevor ihr Kokon verarbeitet wird) auf Insistieren meinerseits sogar von ein paar Big Names, die ihn wegen seiner Stoffe angesprochen haben. Wenn sie den Umweg über Karma nehmen muss, bevor eine gute Idee bei Menschen ankommt, die sich’s leisten können, dann sei’s drum. Hauptsache, es tut sich was.

Abends schmeiße ich mich – Ehrensache – in neue Schale, gehe in eine Raucherbar mit DJ und gleichzeitiger Filmprojektion und freue mich darüber, dass man in diesen Filmclubs nicht immer aussieht, als sei man irrer Säufer oder einsame alte Frau oder beides, einfach weil man weiß, wohin mit dem verlorenen Blick: kundig und geschäftig auf die Leinwand richten. Trotzdem freue ich mich, als sich ein Kumpel zum Gespräch dazugesellt, puh.

Am Donnerstag wieder Modezirkus: Das patente Wiener Fräulein Marina Hoermanseder zeigt seine (leider nicht fisch-)ledernen Schnallenkreationen unter dem Motto „Amelia Earhart“, die ja erstens eine Pionierin des Fliegens und zweitens der Frauenbewegung ist. Hoermanseders typische Orthopädie-Korsetts, steife Röcke, Marlenehosen, Culottes und 40er-Pullover in Braun und Pastelltönen sind auch wirklich wunderbar. Aber ach: mit den hohen Schuhen hätte Earhart sich nie in ihrem kurzen Leben ins Cockpit gesetzt! Und auf den hohen Schuhen versagen sämtliche Models: Eins nach dem anderen fällt tief, stakst noch storchiger als üblich oder nimmt die Botten gleich in die Hand.

Danach schauen wir noch beim Berliner Modesalon vorbei, den die Vogue als Pop-up-Shop ins KaDeWe gelotst hat, um lokale DesignerInnen zu fördern. Apropos: Eine grobmaschige Jacke von Iris von Arnim wäre genauso schick in Strick und bestimmt nur ein My kratziger, wenn die Wolle nicht von chinesischen Kaschmirziegenbäuchen geschoren und über die halbe Welt transportiert worden wäre, sondern von stur vor sich hin grasenden schmutzigen Brandenburger Böcken stammte!

Ein bisschen fühlt man sich in dem durch eine schnieke Kordel abgetrennten Bereich inmitten des Kaufhauses eh wie eine Schafherde, die von ein paar Schäferhunden draußen beäugt wird. Aber immerhin haben wir Champagner und ihr nicht, und wem die Mittagszeit zu früh für das Glas Puffbrause erscheint, dem sei das alte Chap-Rezept „Breakfast in Bed – The Paramour Version“ ans Herz gelegt: mit abgeriebener Schale selbst gematschte Zitronenbutter auf frisch geröstetem Toast, weißer Pfeffer, frischer Lachs, dazu eine Flasche eiskalter Champagner und dann damit nichteheliche BettpartnerInnen wecken. Dekadenz kann so köstlich sein.