Hitziger Symbolstreit um den Klotz und die Vergangenheit

Geschichte Seit 50 Jahren steht ein Hotel in Potsdams Zentrum – die Stadt will es abreißen

Mit dem Abriss sollen gute Erinnerungen an die DDR-Zeit ausgemerzt werden

Frisch herausgeputzt zeigt sich der historische Alte Markt in Potsdam. Seit seiner Eröffnung im Januar 2014 zieht der Landtag hinter der Fassade des historischen Stadtschlosses Hunderttausende Besucher an. Auf der ehemaligen Nachkriegsbrache ist das klassische Postkarten-Potsdam neu erstanden. Und dann steht da, genau gegenüber, im ehemaligen Lustgarten preußischer Könige, dieser Klotz: Das 60 Meter hohe ehemalige DDR-Interhotel und heutige Hotel Mercure, im Jahr 1969 als „sozialistische Stadtkrone“ erbaut.

Die Stadtspitze unter dem sozialdemokratischen Oberbürgermeister Jann Jakobs ist sich einig: Der Klotz muss weg, denn er steht dem Traum einer Rekonstruktion der alten Potsdamer Mitte buchstäblich im Weg. Geplant ist, an der Stelle einen neuen Lustgarten als „Wiese des Volkes“ für Bürgerfeste oder auch politische Demonstrationen zu errichten. Doch gegen diesen Plan gibt es großen Widerstand, von der in der Stadt oppositionellen Linken, von Verbänden und nicht zuletzt von vielen Bürgern, die an ihrem alten Wahrzeichen hängen.

So hatten bei der Befragung zum Bürgerhaushalt, bei der Vorschläge zur Verwendung der städtischen Mittel gemacht werden können, mehr als 7.000 Bürger dafür gestimmt, kein Steuergeld für den Ankauf und Abriss des Mercure einzusetzen. Doch genau dies bereitet Jakobs gerade vor: Am Mittwoch soll die Stadtverordnetenversammlung einen Antrag beschließen, der künftige Sanierungen des Hotels verhindern könnte. Dann will die Stadt das Hotel erwerben und abreißen. Statt mit Steuergeld soll dies aber mit Grundstücksverkäufen finanziert werden.

Debatte zur Unzeit

Der Hotel- und Gaststättenverband spricht von einer „Debatte zur Unzeit“, die dem Hotel und den Arbeitsplätzen schade. „Es gibt noch keine Finanzierung für den Abriss und die Neugestaltung des Lustgartens und keine Absichtserklärung des Hotel-Eigentümers“, sagt Hauptgeschäftsführer Olaf Lücke.

„Potsdam hat andere Probleme“, glaubt auch der Chef der Linken-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, Hans-Jürgen Scharfenberg. „Da geht es um Millionen. Mir fallen tausend andere Dinge ein, die man damit bauen könnte, wie Schulen, Studentenheime oder Wohnungen.“ In der Tat muss die stark wachsende Landeshauptstadt bis 2020 rund 160 Millionen Euro in den Bau und die Sanierung von Schulen stecken, die sie mühsam mit einer Bettensteuer in den Hotels zusammenkratzt.

Einst Zeichen des Aufbaus

Scharfenberg plädiert für eine repräsentative Befragung der Bürger. Ebenso argumentiert der ehemalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). „Das Mercure entstand in einer Trümmerlandschaft und war für Alt-Potsdamer ein Zeichen für den Aufbau des Stadtzentrums“, sagte Stolpe der Deutschen Presse-Agentur. Viele Potsdamer hätten den Eindruck, dass mit dem Abriss des Hotels gute Erinnerungen an die DDR-Zeit ausgemerzt werden sollen. „Das Mercure-Gebäude wird zu einem Symbol für eine differenzierte Vergangenheitsbewertung“, sagte Stolpe. Er rät den Hotelbetreibern zu einer Schadenersatzklage.

Denn dem Mercure entstehe durch die Abrissdiskussion erheblicher Schaden, sagt Hoteldirektor Marco Wesolowski. „Wenn Kunden im Internet nach dem Mercure in Potsdam suchen, erscheinen sofort Berichte über Abrisspläne.“ Daher würden nun alle denkbaren juristischen Schritte gegen die Stadt geprüft.

Vor ein paar Jahren plante der Milliardär Hasso Plattner mit Unterstützung der Stadt, nach einem Abriss des Hotels dort sein privates Kunstmuseum zu errichten. Nach heftigem Widerstand von Bürgern gab er auf und will das Museum nun im kommenden Jahr an anderer Stelle nahe dem Landtag eröffnen. „Während der Diskussion hatten wir damals allein durch Stornierungen einen Umsatzverlust von mehr als 100.000 Euro“, sagt Wesolowski.

Mittwoch wird entschieden

Die Stadt Potsdam ist angesichts der vielen kritischen Stimmen erst einmal in Deckung gegangen. „Kein Kommentar“ lautet seit vielen Tagen die stereotype Antwort aus der Pressestelle. Nun wartet Potsdam gespannt auf die Entscheidung der Stadtverordneten am Mittwoch. (dpa)