: Uniformen bar jeglicher Bedeutung
KUNST Müll-Schärpen, Filzhut-Träger und Uniformen aus Absperrband: Matthew Cowans wurde für die Ausstellung „Equinox Men“ im Kunstverein Langenhagen vom Braunschweiger Karneval inspiriert
Karneval in Norddeutschland stellt man sich ungefähr so vor, wie Fronleichnam in Islamabad: nämlich gar nicht. Seit Februar 2015 weiß man, dass es in Braunschweig einen großen Karnevalsverein gibt. Dessen alljährlicher Umzug wurde damals aufgrund einer islamistisch motivierte Drohung abgesagt – kurze Zeit nach dem Attentat auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo. Zu genau dieser Zeit war der neuseeländische Künstler Matthew Cowan in Braunschweig, über ein Aufenthaltsstipendium der dortigen Kunsthochschule.
Cowan, der 1974 geboren wurde und bereits international ausstellte, hat neben Kunst auch Psychologie studiert – und hegt eine gewisse Schwäche für Vereine, ihre Trachten und Rituale. So geriet auch der Braunschweiger Karnevalsverein in seinen Blick. Arbeiten, die daraus hervorgegangen sind, kann man sich nun im Langenhagener Kunstverein ansehen. Wobei es nie direkt um diesen Karnevalsverein geht.
„Equinox Men“ ist der Titel der Ausstellung, „Mann der Gleichheit zwischen Tag und Nacht“. Die Gleichheit, um die es hier in erster Linie geht, ist die Gleichheit von Menschen, die sich im Verein zusammentun und die dann Uniformen tragen.
Cowan hat damit keinerlei Problem, eigentlich findet er es sogar ganz lustig. In einem Video zeigt er ein Mitglied des Braunschweiger Schützenvereins: einen komischen, untersetzten Typen in Lodenjacke und Filzhut mit einem Pinsel drauf. Ihm gegenüber ist Cowans Mikrofon zu sehen, überzogen mit einem buscheligen Windschutz. Das Mikrofon und der Hutträger sehen aus wie ein seltsames Freundespaar. Der Schütze erklärt dem Künstler, wie man ein Gewehr lädt und damit schießt. Er stopft irgendetwas in seine Knarre und feuert mit dem kurzen dicken Gerät in die Luft. Mann und Mikrofon versinken im Rauch. Das ist zumindest ganz lustig.
In dem schmalen langen Ausstellungsraum des Kunstvereins stehen an der Wand mehrere Schellenbäume. Das sind lange, mit Kettchen und Glöckchen verzierte Stangen, an deren Spitze oft Wimpel oder Wappenfiguren befestigt sind. Auch der Braunschweiger Karnevalsverein führt sie bei seinen Umzügen mit sich. Cowan hat selbst einige entworfen, die lackierten Holzstäbe in einer Tischlerei in Auftrag gegeben. Mit blanko Plaketten an den Spitzen. Diese Arte Stab verbindet die Menschen auf der ganzen Welt. Sein Ursprung soll im alten China liegen, ein osmanischer Schriftsteller aus dem 17. Jahrhunderts hat ihn erwähnt, die Engländer sprechen von Turkish Crescent, beim britischen Militär hat er den phallischen Namen Jingling Johnnie. Das kann man alles in der Ausstellung erfahren. Man kann es interessant finden, aber ob dadurch die Nachbauten der Stäbe zu guter Kunst werden?
Auf einem niedrigen Podest liegen Schärpen, die Cowan in einer Londoner Mülltonne gefunden hat, angeordnet zu einem Muster. So sind auch sie blanko und bar ihrer Bedeutung. Das ist dann formal ganz einfach und inhaltlich tatsächlich interessant. Gute Kunst – zumindest in diesem besonderen Fall.
Mag sein, dass es die Enge und Fülle des Ausstellungsraumes ist – tatsächlich wirken viele der Werke, wie etwa die Schellenbäume, behelfsmäßig handwerklich, man könnte auch sagen: gebastelt. Etwa die beiden zentral gestellten Figuren: Cowan hat amerikanische Absperrbänder in Schnipsel geschnitten und sie deckend an Schaufensterpuppen geklebt. Die Farbkombination Grün-Weiß kennen wir aus dem Fußball, nicht aber aus dem Straßenverkehr. Auch das Absperrband verliert hier seine Bedeutung. Hat man den didaktischen Punkt der Ausstellung verstanden, beginnt man sich ein wenig zu langweilen. Radek Krolczyk
bis zum 14. Februar 2016, Kunstverein Langenhagen
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