Unruhig und halbherzig

„Sehnsucht“ (20.15 Uhr, ARD), ein Liebesdrama über Alkoholismus, könnte viel erzählen und zeigt zu wenig

Wer Harald Juhnke in der Verfilmung „Der Trinker“ gesehen oder Falladas gleichnamiges Buch gelesen hat, hat einen Eindruck davon gewonnen, was es heißt, mit einem Alkoholiker eine Beziehung einzugehen; was es bedeutet, den Lügen aufzusitzen, dem verzehrenden Selbsthass ausgeliefert zu sein, dem täglich frischen Ekel, der klammernden Verzweiflung. Wer „Sehnsucht“ sieht, sieht jedoch nichts davon. Das Fernsehspiel um Lisa und Alexander möchte so gern und kann doch nicht. Wie ein Suchtkranker, der nicht für eine Minute bei einer Tätigkeit bleiben kann, verzettelt sich das Stück in seinen Möglichkeiten.

„Sehnsucht“ erzählt die Geschichte der Studentin Lisa, gespielt von Katharina Schüttler, die nach einem Kletterunfall operiert werden muss. Nach ihrer Entlassung aus der Klinik verliebt sie sich in den behandelnden Arzt Alexander (Misel Maticevic), der zufällig ihr Nachbar ist. Nach wenigen Tagen leidenschaftlichen Miteinanders erkennt Lisa Alexanders Alkoholabhängigkeit. Es folgt der Versuch, den Freund von seiner Sucht zu befreien, indem Lisa Alexander in ein Zimmer einschließt und bewacht.

Zwischen dem ersten ungeschützten Geschlechtsverkehr und der Schlussszene in einer Entzugsklinik hat Regisseur Ciro Cappellari, der für seinen Film „Abdullah Ibrahim“ 2005 einen Grimme-Preis erhielt, eine Vielzahl an Erzählsträngen gelegt, die er alle nicht konsequent verfolgt. So könnte die Geschichte die einer tragischen Liebe sein, die einer Frau, die sich zu sehr in der Beziehung aufgibt, eine Geschichte von Co-Abhängigkeit und/oder Alkoholismus.

Der Mediziner Alexander jedoch bleibt das Abziehbild eines Alkoholkranken, ohne Tiefen, ohne existenzielle Verzweiflung, ohne das Nicht-mehr-Können, das der Ausstieg aus der Sucht erfordert. Nur für die Kamera kotzt Maticevic, ein Wutanfall wird gegeben, ein Moment Verzweiflung. Dazwischen sieht man einen umgänglichen Typen, und der Zuschauer versteht bis zum Schluss nicht, warum er nicht in eine Klinik geht, warum er nicht leidet, krampft und schwitzt, wie das nach zehn Jahren Hardcoretrinken üblich ist. Offen bleibt auch, ob Alexander sich den Entzug mit Tabletten substituiert und warum er, wie Lisa feststellt, nichts Persönliches in seiner Wohnung hat. Der Ausflug zu den Eltern wird zu einer Reise in eine patriarchische Sprachlosigkeit und bleibt ohne Erklärung.

Am Ende des Films, als beide sich noch einmal begegnen, sagt Alexander: „Deine Sehnsucht – meine Sucht.“ Und anders als der Trinker in Falladas Roman hat Alexander eine Chance, sein Leben ohne Alkohol hinzubekommen. Ob die Beziehung von Alexander und Lisa den Wegfall des Bindemittels verkraftet, bleibt aber offen. SILKE BURMESTER