Das Foto vom 27. September 2011 zeigt die damaligen Mitglieder der Piratenfraktion. Das waren Martin Delius, Christopher Lauer, Philipp Magalski, Alexander Spies und Oliver Höfinghoff (1. Reihe); Alexander Morlang, Susanne Graf, Heiko Herberg und Simon Weiß (2. Reihe) sowie Simon Kowalewski, Wolfram Priess, Andreas Baum und Fabio Reinhardt (3. Reihe, jeweils von links). Alle bis heute ausgetretenen Piraten haben wir herausgeschnitten. Nicht auf dem Bild von einst: Pavel Mayer (ausgetreten) und Gerwald Claus-Brunner (noch Parteimitglied) Foto: Foto [Montage]: Steffi Loos

Werden uns die Piraten fehlen?

Parlament Die Piratenpartei wird wohl die Fünfprozenthürde bei der nächsten Wahl nicht nehmen. Schade?

pro

Von Malene Gürgen

Nein, groß ist das Vermächtnis der Piraten nicht. Das liegt an ihrem Status als kleinste Oppositionsfraktion – noch so fleißiges Anfragen ­schreiben, noch so flammende Reden können wenig bewegen, wenn die Macht woanders sitzt. Das liegt aber auch an der Fraktion selbst: Mit internen Streitigkeiten und immer neuen Entgleisungen tat sich die Fraktion, in der Männer fast unter sich blieben, keinen Gefallen.

Trotzdem ist es schade um die Piraten. Denn ein Versprechen, das nie so ganz eingelöst wird, ist immer noch besser als gar keins. Und die 15 Abgeordneten versprachen einiges: Frischen Wind wollten sie ins Parlament bringen, verkrustete Strukturen aufbrechen, das selbstzufriedene Politik-Esta­blish­ment stören. Damit standen die Piraten für eine Hoffnung, die nun sterben wird, wenn die Fraktion im September ihre Sitze räumt: dass Politik auch anders ein kann, als es die etablierten Parteien vormachen.

Dem Parlament letztendlich mehr genützt als geschadet

Denn der Erfolg der Piraten bei der letzten Wahl zeigte vor allem eines: Dass sich viele WählerInnen in dieser Stadt nicht mehr repräsentiert fühlen von dem, was da im Parlament passiert, dass sich die Parteien auch in Berlin schon lange von denjenigen entfernt haben, die sie vertreten sollen. Deswegen haben die Piraten, verbale Entgleisungen hin oder her, dem Parlament letztendlich mehr genützt als geschadet: Weil sie den Versuch unternahmen, diese abgegessene Bevölkerungsgruppe wieder für parlamentarische Politik zu begeistern – etwas, das andere Parteien nicht mal im Ansatz mehr versuchen.

Einige dieser WählerInnen werden nun gar nicht mehr wählen gehen, andere vielleicht bei der AfD ihr Kreuzchen machen. Beides ist schlecht für Berlin. Nun braucht es einen neuen Versuch, den Unrepräsentierten in der Stadt eine Stimme zu geben – innerhalb oder außerhalb des Parlaments.

contra

Von Stefan Alberti

Berlin mag etwas fehlen nach dem Verschwinden der Piraten aus dem Abgeordnetenhaus. Aber dazu muss man schon Mate-Limonade, Zynis­mus oder Respektlosigkeit gegenüber ­Parlamenten als Verfassungsorgan mögen. Ansonsten aber wird nichts fehlen.

Nicht dass die Piratenfraktion keine guten Leute hätte – es finden sich bei den anderen Parteien genug Leute, die etwa Fraktionschef Martin Delius für einen fähigen Vorsitzenden des BER-Untersuchungsausschusses halten. Oder Fabio Reinhardt für einen engagierten Flüchtlingspolitiker, Philipp Magaski für einen engagierten Umweltexperten. Doch auch sie hinterlassen keine Lücke, denn im Abgeordnetenhaus haben sie kein Alleinstellungsmerkmal. Reinhardts Abgang wird lediglich mehr Augenmerk auf Canan Bay­ram (Grüne) und Hakan Taş (Linke) lenken, die wie Reinhardt konstant die Schwachstellen beim Lageso und Sozialsenator kritisieren.

Noch viel weniger fehlen wird der Zynismus, den vor allem Christopher Lauer als bekanntester Pirat im Parlament pflegt. Bissig, scharf, manchmal ironisch, das waren auch andere gute Redner im Parlament. Doch all das bewegte sich auf dem Boden einer grundsätzlich positiven Haltung zu Parlament und Parlamentarismus. Bei Lauer und teils auch anderen in der Piratenfraktion ist davon manchmal nichts zu spüren. Und das nicht nur, weil Lauer Gossensprache ins Parlament einführte.

So wird fast nichts fehlen, noch nicht mal die Mate-Limonade, die es nach Einzug der Piraten 2011 im Sortiment der Parlamentskantine gab. Mit der einen oder anderen Flasche davon waren schon Mitglieder anderer Fraktionen zu sehen.