Entdeckt, überzeugt, zum Arzt geschickt

Nachwuchs Der Flüchtling Bakery Jatta, von einem Spielerberater entdeckt, könnte beim HSV landen

So eine Karriere ist vom System eigentlich nicht vorgesehen. Da errichtet der Deutsche Fußballbund über fünfzehn Jahre hinweg eines der effektivsten Talentfördersysteme der Welt, spürt die Talente erst mit immer feineren Fahndungssystemen auf und formt sie dann mit deutscher Ingenieurskunst zu systemkompatiblen Profis.

Doch dann kommt plötzlich ein 17-Jähriger daher, der weder in einem Verein gespielt noch an einem Sichtungslehrgang teilgenommen hat, und ergattert einen Profivertrag beim HSV. So ist es gerade Bakery Jatta passiert, der aus Gambia geflohen ist und wie so viele andere über das Mittelmeer Europa erreichte. Seit dem Sommer wohnt er in einer Jugendhilfeeinrichtung in der Nähe von Bremen, die von einem ehemaligen Boxprofi geleitet wird. Dort spürte ihn der umtriebige Spielerberater Efe-Firat Aktas auf, der schon die Bremer Ex-Profis Diego, Marko Arnautovic und Eljero Elia an Werder vermittelte.

„Der Junge ist eine Rakete“, sagt Akas, und das scheint keine Marktschreierei zu sein. Werder Bremen, dem Akas sein Juwel zuerst anbot, setzte ihn in einem Testspiel der U23 gegen Hannovers Nachwuchs ein, in dem Jatta gleich zwei Tore schoss und auch sonst überzeugte. Dennoch lehnte Werder eine Verpflichtung ab.

„Der Junge hat einen vernünftigen Eindruck gemacht. Aber er hat keinerlei Ausbildung genossen, das muss man auch sehen“, sagt Werders Sportchef Thomas Eichin, der im Trainingslager im türkischen Belek genervt über Vorwürfe war, er habe etwas versäumt: „Da versucht dann irgendjemand, einen Spieler in eine Richtung zu drücken, damit ja der Preis steigt. Das machen wir nicht mit.“ Werder beschäftigt mit Jattas Landsmann Ousman Manneh bereits einen hochtalentierten Flüchtling in seiner U23-Mannschaft.

Beim HSV reagierte man nach einem zweitägigen Probetraining Anfang Januar euphorischer. „Er hat uns überzeugt und wir wollen ihn gern für uns gewinnen“, sagt Sportchef Peter Knäbel. Presseberichten zufolge soll das HSV-Angebot bei 120.000 Euro pro Jahr liegen, inklusive Prämien sogar 300.000 Euro. Da minderjährige Spieler offiziell nichts verdienen dürfen, kann der Vertrag erst mit Jattas Volljährigkeit im Sommer zustande kommen. Der HSV bestreitet, dass er an der Altersangabe in Jattas Geburtsurkunde zweifelt. Knäbel räumte gegenüber dem Hamburger Abendblatt allerdings ein, dass der Club im UKE überprüfen ließ, ob Jatta ausgewachsen sei oder nicht. „Es wurde festgestellt, dass die biologische Entwicklung abgeschlossen ist“, sagt er.

Ins Trainingslager, das der HSV ebenfalls in Belek absolviert, konnte Jatta noch nicht mitreisen, da er sich vorerst nur in Deutschland aufhalten darf. Nach Rückkehr der Mannschaft soll er langsam in diese hineinwachsen. Auch die Talententwickler des DFB werden seine Geschichte aufmerksam weiterverfolgen. RLO