Rusty nimmt Abschied

Tennis Ein alter Held schwingt bei den nun beginnenden Australian Open ein letztes Mal das Racket: Hymne auf Lleyton Hewitt

Lleyton Hewitt Foto: reuters

Aus Melbourne Doris Henkel

Seit einem Jahr weiß die Welt des Tennis, dass sich Lleyton Hewitt in Melbourne verabschieden wird. Nach 18 Jahren als Profi, nach 876 + x Spielen, zwei Grand-Slam-Titeln, 28 weiteren und zwei Triumphen im Davis Cup wird er seine Karriere beenden. Er wird im Februar 35 und ist damit nur ein paar Monate älter als Roger Federer, aber im Gegensatz zum Schweizer tun ihm schon lange die Knochen weh. Dass er nach einer Operation am linken Fuß überhaupt noch spielen konnte, hatte keiner der Ärzte zu versprechen gewagt.

Zum 20. Mal wird Hewitt bei den Australian Open spielen; er gewann das Turnier nie, aber er war nahe dran. 2005 verlor er im Finale gegen Marat Safin und dessen Safinettes – einer Gruppe auffälliger Damen in der Loge des Russen. Aber auch er selbst fand sein Glück: Nach der Niederlage machte er der Schauspielerin Bec Cartwright einen Heiratsantrag, ein paar Monate später fand die Hochzeit statt.

Es ist eine bemerkenswerte Geschichte, wie aus einem Heißsporn, der vielen Leuten mit seinem Kampfschrei „C’moooon“ gewaltig auf die Nerven ging, jener Mann wurde, der nun zum Ende der Karriere mit Anerkennung überschüttet wird. Als er 1998 in seiner Heimatstadt Adelaide mit 16 in einem unfassbar großen Hemd gegen Andre Agassi gewann, war klar, dass da einer die Welt des Tennis auf den Kopf stellen wollte. In einem Film über seine Karriere erzählt Hewitt, wie er damals total eingeschüchtert auf den Platz gegangen war, weil ihn Agassis Coach Brad Gilbert in der Kabine eine halbe Stunde lang angestarrt hatte. Wie er sich aber schnell gefangen und den großen Favoriten weggeputzt hatte. „Ich dachte, er würde nachlassen nach hinten raus“, gab Agassi hinterher zu. Aber wenn irgendwas gar nicht zusammenpasste, dann waren das Lleyton Hewitt und ein „Nachlassen nach hinten raus“.

Wie sich herausstellen sollte, bestand er den ultimativen Test für Ausdauer, Willen und die Bereitschaft, alles zu geben, öfter als jeder andere. Er gönnte sich 57 Fünfsatzspiele, allein 13 bei den Australian Open, darunter unvergessliche Auftritte wie beim Halbfinalsieg 2005 gegen Andy Roddick und die Partie gegen Marcos Baghdatis 2008, die an einem Sonntagmorgen um 4.34 Uhr endete.

Den ersten Grand-Slam-Titel gewann er 2001 n New York gegen Pete Sampras, aber die Freude darüber wurde schnell verdrängt. Als seine Maschine in Australien gelandet war, meldete sich der Pilot mit der Durchsage, in New York sei gerade das World Trade Center zusammengestürzt.

Den Titel mit der größten Aufmerksamkeit feierte er ein Dreivierteljahr später in Wimbledon in einem völlig untypischen Rasenfinale gegen den Argentinier David Nalbandian: Zwei Grundlinienspieler mit überschaubarem Drang zum Netz.

Es gab viele Australier, die ihn selbst da noch nicht mochten; er kam ihnen zu flegelhaft vor, zu humorlos und irgendwie auch zu langweilig. Aber je länger seine Karriere dauerte, desto mehr Anerkennung verdiente er sich. Bei den Kollegen sowieso. Roger Federer sieht mit einem Hauch von Wehmut, dass sich nun wieder einer seiner Generation verabschieden wird. „Lleyton war für mich immer was Besonderes“, sagt er. „Er hat mich definitiv zu einem besseren Spieler gemacht, ich hab die Kämpfe mit ihm sehr genossen.“ Andy Murray gab einem seiner beiden Border Terrier Hewitts Spitznamen: „Rusty“ heißt der Hund. Nicht, weil sich Murray über den Kollegen lustig machen wollte, sondern weil der schon lange zu seinen Lieblingsspielern gehört.

Der Übergang ist längst gemacht. In den vergangenen Jahren versuchte sich Hewitt bereits des Öfteren als Ko-Kommentator fürs Fernsehen, und er machte seine Sache bemerkenswert gut. Im Oktober vergangenen Jahres wurde er vom australischen Tennisverband zum neuen Kapitän des Davis Cup Teams bestellt, nur ein paar Wochen nach seinem letzten Auftritt in diesem Wettbewerb. Hewitt kümmert sich schon länger um die jungen Leute wie Bernard Tomic oder Nick Kyrgios, er lebt ihnen Professionalismus vor, aber er nimmt sie auch in Schutz. „Viele der Jungs waren schon bei mir zu Hause, haben mit mir trainiert, hier oder anderswo“, sagt er. „Darauf bin ich ziemlich stolz.“

Auch James Duckworth hat Hewitt schon Tipps gegeben. Wie es der Zufall will, werden sie am Dienstag in der Rod Laver Arena gegeneinander spielen. Im letzten, vorletzten oder drittletzten Spiel einer großen Karriere.