LESERINNENBRIEFE
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Indische Katharsis

■ betr.: „Kotzen vor Wut“, taz vom 2. 1. 13

Sie haben geschrieben: „Was wir brauchen, hier und in Indien und überall, ist eine Gesellschaft, die Vergewaltigungen aufs Schärfste anprangert. […] Die Reaktionen in Indien sollten uns ein Beispiel sein.“ Es ist Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit, wenn „reiche“ und „starke“ Nichtbetroffene sich differenziert für „ärmere“ und „schwächere“ Betroffene einsetzen. Viele Frauen sind in Indien vergewaltigt worden. Und es ist in Indien gesellschaftlich und juristisch faktisch nichts geschehen. Die Vergewaltigungen betreffen „nur“ Andersgläubige, Menschen aus der Unterschicht sowie „Unberührbare“. „Nur“ engagierte Kirchenleute sowie NGOs unterstützen diese indischen Andersgläubigen, Unterschichtler und Unberührbare gegen diese Gewaltspirale und andere Ungleichbehandlung.

Jetzt ist meiner Information nach eine Inderin aus der höheren Schicht/Kaste vergewaltigt worden. Erst jetzt gibt es einen indischen Protest und ein internationales Naserümpfen. Ob dieser indische vordergründige Protest ein Vorbild für uns in Deutschland sein sollte, bezweifle ich. Aber im Unglück dieser vergewaltigten Inderin liegt ein Glück für andere Inderinnen. So tragisch schmerzlich dies auch sein mag. Darin liegt eine Chance für die indische Gesellschaft auf Katharsis bezüglich Vergewaltigung sowie Ungleichbehandlung.

Wir können sinnvollerweise die engagierten Kirchenleute sowie NGOs in Indien in ihrer Arbeit unterstützen. Sie verändern in kleinen Schritten die indische Wirklichkeit. Darin sehe ich eine reelle Parallele zur deutschen Wirklichkeit. VAN THANG TRAN, Tübingen

Wutsturm gegen sexuelle Gewalt

■ betr.: „Kotzen vor Wut“, taz vom 2. 1. 13

Dem Kotzen vor Wut kann ich mich aus ganzem Herzen anschließen. Wir sollten hier in Deutschland, Europa bloß nicht glauben, dass wir besser sind als die Inder. Wir sind lediglich besser im Tarnen, Täuschen und Verschweigen sexueller Gewalt. Als Opfer sexueller Gewalt kenne ich mich damit bestens aus – es interessiert auf gut Deutsch gesagt keine Sau. Meine Vision seit langer Zeit ist, dass alle Opfer sexueller Gewalt (Frauen wie Männer) ihre Wut spüren, offenlegen, auf die Straße gehen und demonstrieren. Alle, alle – da wäre was los! Ein Wutsturm! UTE ZIMMERMANN, Roßdorf

Guter Profit, schlechter Profit

■ betr.: „Saison der Rebellen“, taz vom 2. 1. 13

Mafiakapitalismus, Raubtierkapitalismus, Heuschreckenkapitalismus … In seinem Kommentar schreibt Dominic Johnson die Zustände in Afrika dem Mafiakapitalismus zu. Wieder ein Wort, das die zwangsläufigen Blüten des Kapitalismus vom weltumspannenden kapitalistischen System zu unterscheiden und diese als zu verachtende Ausnahme zu klassifizieren sucht. Seit dem Ende des sozialistischen Ostblocks hat der Kapitalismus keinen Gegenpol mehr und kann sich nun entfalten und zeigt uns jetzt sein wahres Gesicht. Der Raubtierkapitalismus ist keine ungewollte Ausgeburt des Kapitalismus, sondern seine wahre Natur. Im Kapitalismus geht es nun mal um Profit um jeden Preis. Auch hier in Deutschland ist es nicht der Mafia- oder Raubtierkapitalismus, sondern der Kapitalismus an sich, der die Spaltung der Gesellschaft verursacht. Zur Profitmaximierung gehören nun mal Niedriglöhne und Harz IV. Die kapitalistische Realität kennt keinen guten Profit im Unterschied zu einem „übertriebenen“, „zügellosen“, „entarteten“. Um im Konkurrenzkampf zu bestehen, muss der, der den Beruf des Profitmachens ergriffen hat, maßlos sein. MICHAEL WOSSIDLO, Bremervörde

Kaputt machender Konflikt

■ betr.: „Wir Antisemiten“, taz vom 3. 1. 13

Es geht nicht um Augstein. Es geht auch nicht um Bibi Netanjahu, zwei Protagonisten im Nirgendwo. Und es geht auch nicht darum, dass man hier nicht in deutsch über irgendwas diskutiert, was nicht in deutsch sein dürfte. Reden wir über die Wirklichkeit vor Ort: Ich habe nur Freunde in Israel. Wenn die dort aufwachsen, müssen die in einen Krieg ziehen, den all die Generationen, die dort antreten, nicht verbockt haben. Müssen wir hier nicht.

Was man dort im Krieg sieht, sieht aus wie all das Unschöne, was Kriege im 20. Jahrhundert zu bieten hatten. Die gehen kaputt daran, wie auch die Leute auf der anderen Seite, die in ziemlicher Armut leben und einfach in erbärmlich begrenzten Welten leben müssen, da sie nicht sehr weit reisen können, ohne nicht auf die nächste Schranke zu stoßen. Dazwischen gibt’s auf beiden Seiten ’ne Menge Leute, die sich entweder zu sehr mit dem einen identifizieren oder einfach einen Vorteil draus ziehen. Das ist alles, daran muss gearbeitet werden, über dieses Verheizen von Generationen, nicht in dem Sinne, dass sie sterben, aber in dem Sinne, dass sie ihre Kaputtheit an diesem Konflikt weiter- und weitergeben. Chochma, taz.de

Abwertende Begriffe

■ betr.: „Amis kaufen mehr deutsche Autos“, taz vom 5./6. 1. 13

Auf Seite 5 konnte ich lesen, dass diskriminierende Begriffe aus Kinderbüchern verschwinden. Das finde ich klasse. Auf der nächsten Seite ist in einer Überschrift von „Amis“ zu lesen. Das finde ich doof. Sicher hat das Wort „Ami“ nicht die gleiche diskriminierende Qualität wie etwa die Bezeichnungen „Neger“ oder „Zigeuner“, aber ich kenne es als eher abwertenden Begriff. Ich finde, dass die taz solche Wörter nicht braucht. KAI BROKOPF, Berlin