Auf Entspannungskurs

Krisenbewältigung Beim Besuch des polnischen Außenministers Waszczykowski in Deutschland schlagen beide Seiten versöhnliche Töne an. Grüne kritisieren Regierung

DemonstrantInnen protestieren am Sonntag in Berlin gegen das polnische Mediengesetz Foto: Thomas Lebie/imago

von Tobias Schulze

Einen zuvorkommenderen Gastgeber hätte sich Rolf Nikel kaum wünschen können. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski räumte am Montagvormittag vierzig Minuten seines Terminplans für den deutschen Botschafter frei – und verabschiedete ihn hinterher mit unerwartet warmen Worten. „Wir haben keine angespannten Beziehungen zu Deutschland, also müssen wir sie auch nicht entspannen“, sagte Wasz­czykowski während eines gemeinsamen Pressestatements.

Ähnlich vornehm äußerte sich der Botschafter selbst. „Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ein Schatz“, sagte Nikel – und sprach von einer „konstruktiven Unterhaltung“. Ganz so, als hätten sich die beiden Diplomaten statt zu einem Krisengespräch nur mal eben auf eine Tasse Kaffee getroffen.

Noch am Sonntagnachmittag hatte das ganz anders ausgesehen. Per Pressemitteilung gab das polnische Außenministerium da bekannt, den deutschen Botschafter kurzfristig zu einem Gespräch geladen zu haben. Offizieller Anlass des Termins um neun Uhr morgens: „antipolnische Äußerungen deutscher Politiker“.

Gemeint war offenbar die Kritik an verschiedenen Gesetzesänderungen. Deutsche und europäische Politiker hatten die seit November amtierende PiS-Regierung unter anderem dafür getadelt, unliebsames Spitzenpersonal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgesetzt zu haben. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) zum Beispiel sprach in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von einer „gefährlichen Putinisierung der europäischen Politik“. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) plädierte im gleichen Blatt dafür, dass Brüssel den „EU-Rechtsstaatsmechanismus aktiviert und Warschau unter Aufsicht stellt“.

In einem offenen Brief erwiderte daraufhin der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro, solche Äußerungen aus dem Mund eines deutschen Politikers weckten unter Polen „schlimmste Assoziationen“. Auch bei Ziobro selbst: Er sei schließlich Enkel eines polnischen Offiziers, der während des Zweiten Weltkriegs gegen die „deutsche Aufsicht“ über sein Land gekämpft habe.

„Unter Freunden kann man klare Worte finden“

Manuel Sarrazin (Grüne)

Die Bundesregierung versucht, sich aus dieser Debatte herauszuhalten. Auf öffentliche Kritik an der polnischen Regierung verzichtet sie komplett. „Was wir unseren Partnern zu sagen haben, sagen wir ihnen über unsere diversen Gesprächskanäle und nicht über die Medien. Das gehört sich nicht“, sagte am Montag eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Sollte ein EU-Mitgliedsland Probleme mit seiner Rechtsstaatlichkeit haben, sei für eine formelle Diskussion darüber ausschließlich die EU-Kommission zuständig. Das Gremium in Brüssel wird voraussichtlich am Mittwoch erste Gespräche zum Thema führen.

Die Opposition kritisierte die Zurückhaltung der Bundesregierung am Montag. „Unter Freunden kann man klare Worte finden, auch öffentlich“, sagte Manuel Sarrazin (Grüne), Vizechef der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe des Bundestages. Vor Pauschalkritik warnte er allerdings. „Entscheidend ist, dass man einen freundschaftlichen Ton trifft und nicht mit dem erhobenen deutschen Zeigefinger auftritt. Alles andere könnte die Kaczyński-Regierung für ihre PR-Strategie ausschlachten: Um ihre Anhänger zu mobilisieren, baut sie die Feindbilder Berlin und Brüssel auf.“

Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, vermutet ähnliche Motive. „Die eigentliche Debatte über den polnischen Rechtsstaat findet innerhalb Polens statt. Davon versucht die PiS-Regierung abzulenken, indem sie den Eindruck erweckt, die Kritik an ihrer Politik komme ausschließlich aus Deutschland“, sagte er.