„Fitnessstudios leben von Karteileichen“

GUTE VORSÄTZE Anfang des Jahres melden sich besonders viele Berliner zum Sport an. Die Euphorie lässt bei manchen schnell nach. Das hat auch Vorteile, sagt Sportstudio-Leiter Alex Hüfner

Alex Hüfner

Foto: Nina Altmann

49, ist Leiter der 1996 gegründeten Trainingsschule X-Step in Kreuzberg. Er gibt selbst zudem auch Kurse im funktionellen Zirkeltraining.

Interview Mareike-Vic Schreiber

taz: Herr Hüfner, Anfang Januar ist die Zeit der guten Vorsätze. Mehr Sport zu treiben gehört dabei zu den Klassikern. Ist es in Ihrem Sportstudio zurzeit voll?

Alex Hüfner: Die Nachfrage ist zum Jahresbeginn groß. Im Januar und Februar haben wir fast doppelt so viele Neuanmeldungen wie im Jahresdurchschnitt – alles hochmotivierte Menschen (lacht). Gleichzeitig gibt es am Jahresanfang vergleichsweise aber auch mehr Kündigungen.

Wie lange hält die Euphorie der Neukunden im Schnitt an?

Da gibt es keine Regeln. Wiedereinsteiger bleiben in der Regel länger am Ball, weil sie sich mit dem Gefühl Sport auskennen und wissen, was sie erwartet. Für Neueinsteiger, die mit Bewegung nicht vertraut sind, erweisen sich die ersten Wochen dagegen als sehr anstrengend. Sie beginnen meist mit dem Ziel, schnell abzunehmen, und haben Schwierigkeiten durchzuhalten, wenn die ersten positiven Effekte auf sich warten lassen.

Bei vielen ist der gute Vorsatz also zum Scheitern verurteilt?

Nein, jeder muss die Sportart finden, die zu ihm passt. Vor allem in der Werbung wird häufig ein falsches Bild propagiert – nach dem Motto: höher, schneller, weiter. „Geh über deine eigenen Grenzen hinaus“ heißt es oft, doch die Folge ist genau das Gegenteil: Überlastung und Verletzungen. Wenn man sportliche Aktivitäten nicht gewohnt ist, kann eine solche Herangehensweise auch ungesund sein.

Für die Anbieter ist es ja wahrscheinlich sogar praktisch, wenn ein paar Leute nach und nach wegbleiben, sie zahlen ja meist trotzdem weiter. Können Fitnessstudios ohne ihre Karteileichen überhaupt noch überleben?

Laut einer europaweiten Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte waren Ende 2014 rund neun Millionen Deutsche in einer der etwa 8.000 Fitness- und Gesundheitsanlagen angemeldet. Damit hatte Deutschland Ende 2014 den europaweit größten Fitnessmarkt.Mehr als 18 Prozent der insgesamt etwa 50 Millionen Mitglieder von Fitnessstudios in Europa trainieren in Deutschland. Mit einem Zuwachs von 530.000 Mitgliedern im Vergleich zum Vorjahr setzte die deutsche Fitnessbranche ihren Wachstumstrend der letzten Jahre fort. An über 210.000 Arbeitsplätzen wurde ein Umsatz von 4,7 Milliarden Euro erwirtschaftet. Der deutsche Sportstudioverband prognostiziert bis 2020 rund drei Millionen weitere Mitglieder. (taz)

Unsere Trainingsschule ist eine reine Bewegungsschule. Wir haben einen kleinen Gerätebereich, bieten aber überwiegend Kurse an. Daher ist der Anteil bei uns eher gering. Doch die klassischen Fitnessstudios leben von ihren Karteileichen. Kein Studio funktioniert, wenn alle Mitglieder regelmäßig zum Training kommen. Die Kosten dafür ließen sich mit den Discounterpreisen der großen Fitnessstudioketten nicht decken.

Was sind Ihre Erfahrungen: Wie klappt es besser mit den guten Vorsätzen?

Vielen Menschen, die gern mehr Sport treiben würden, fällt es schwer, sich selbst zu motivieren. Nach meinen Erfahrungen ist die Motivation der Teilnehmer in Gruppentrainings viel höher. Auch die gute Anleitung durch einen entsprechend ausgebildeten Trainer ist ein wichtiger Faktor.