Türkei

Eine Woche nach Beginn der Militäroffensive in kurdischen Gebieten fordern Linke und Grüne den Stopp deutscher Waffenlieferungen

Verletzte werden nicht versorgt

Kämpfe Menschen- rechtler rechnen mit Zunahme ziviler Opfer

ISTANBUL taz | Knapp eine Woche nach Beginn der türkischen Militäroffensive auf Hochburgen kurdischen Widerstands im Südosten des Landes ist kein Ende der Kämpfe abzusehen. Erst am Montag wurde in mehreren Bezirken der Stadt Nusaybin an der syrischen Grenze wieder eine Ausgangssperre verhängt, auch in Cizre, der Altstadt von Diyarbakır, in Silvan und Silopi dürfen die Leute ihre Häuser nicht verlassen. Besonders die Situation in Silopi ist dramatisch. Nach Informationen mehrerer Abgeordneter der kurdisch-linken HDP ist die gesamte Stadt von Militär umstellt. Angeblich feuern die Soldaten mit Artillerie in die Stadt.

Hundert tote Zivilisten

Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wurden seit Aufkündigung des Waffenstillstands zwischen PKK und Regierung im Juli mehr als hundert Zivilisten getötet. Ab Mitte August kam es immer mehr zu Auseinandersetzungen in den Städten. Das Militär verhängte Ausgangssperren, teilweise bis zu zwei Wochen. In diesen Phasen, so HRW, hatten die Menschen oft keinen Zugang zu Lebensmitteln und ärztlicher Versorgung. Verletzte konnten nicht in Krankenhäuser gebracht werden, Krankenwagen durften nicht in die umkämpften Bezirke fahren. HRW fordert von der türkischen Regierung eine Untersuchung der zivilen Todesfälle und die Sicherstellung einer medizinischen Versorgung für alle Zivilisten. Die Zahl getöteter oder verletzter Zivilisten werde in den kommenden Tagen sonst stark steigen, so HRW.

Die Zivilbevölkerung kommt aber nicht nur durch das Militär unter Druck. Kurdische Militante griffen am Wochenende mehrere staatliche Schulen an, zwei brannten fast völlig aus. Erstmals haben am Sonntag nicht nur Abgeordnete der HDP, sondern je auch ein Vertreter der regierenden AKP und der großen Oppositionspartei CHP ein Ende der Kämpfe und eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Regierung und der PKK gefordert.

Jürgen Gottschlich