schülergerichte
: Musterschüler und schwarze Schafe

Schülerinnen und Schüler, die zum ersten Mal bei kleineren Straftaten ertappt wurden, sollen nach dem Willen der FDP künftig von Gleichaltrigen statt von ausgewachsenen Richtern verurteilt werden: „Teen Courts“ nach dem Vorbild der USA wollen die Liberalen auch in Berlin eingerichtet sehen. Während sich die an vielen Berliner Schulen erfolgreich aktiven Konfliktlotsen und Streitschlichter ausschließlich auf Problemfälle beschränken, die an der Schule selbst aufgetreten sind, sollen sich diese jugendlichen Richter auch mit anderen Delikten wie Ladendiebstählen, Schwarzfahren oder Drogenbesitz befassen.

KOMMENTAR VON ALKE WIERTH

Die Idee klingt nicht schlecht: dass Jugendliche mehr Einfühlungsvermögen für die Tatmotive und Problemlagen gleichaltriger Delinquenten haben, leuchtet ein. Und erst recht, dass die von ihnen verhängten, genau auf die Täter zugeschnittenen Strafen oft mehr schmerzen als die fantasielosen eines Richters. Natürlich ist es auch eine prima Sache, das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl Jugendlicher, ihr Bewusstsein für Recht und Unrecht zu schärfen.

Doch Jugendliche zu Richtern über andere Jugendliche zu machen ist eine heikle Angelegenheit. Im Aschaffenburger Modellprojekt werden die Teenie-Richter von ihren Lehrern vorgeschlagen. Dafür zeichnen sie sich durch gute Schulnoten und die Tatsache aus, selbst nie straffällig geworden zu sein. In der Provinz funktioniert dieses Auswahlverfahren offenbar. Doch unter der selbstbewussten wie heterogenen Hauptstadtjugend dürfte es solchen Musterschülern schwer fallen, sich den notwendigen Respekt zu verschaffen. Schwer vorstellbar, dass sich ein schwarzes Schäfchen freiwillig dem Urteil einiger Streber unterwirft.

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